Grabsteinfund – Johannes Seidel, evgl. luth. Pastor in Neutomischel von 1885-1917

HIER  RUHT  IN  GOTT  DER  EV.  LUTH.  PASTOR  -  JOHANNES  SEIDEL - 25. JAN .... - Bild: PM

HIER RUHT IN GOTT DER EV. LUTH. PASTOR – JOHANNES SEIDEL – 25. JAN …. – Bild: PM

Der alte evangelische Friedhof in der Stadt Nowy Tomysl ist schon lange nicht mehr existent.  An seiner Stelle erinnert, der hier einst zur ewigen Ruhe Beerdigten, ein Gedenkstein.

Für die Verwendung von alten Grabsteinen, zu ihnen gehörten auch die der alten Friedhöfe der Stadt, gab und  gibt es kaum eine würdige Verwendung. Der einst die Ewigkeit symbolisierende Grabstein, der das Refugium des Toten und dessen Andenken darstellte, hat zum Ablauf der Totenruhe oder der Auflösung eines Friedhofes ausgedient.

Oft geraten die schönen Grabsteine in die Steinmühle und finden Verwendung als Schotter im Straßenbau, in der Anlage von Plätzen in Parkanlagen oder sogar als Uferbefestigung an Flüssen.

Aber gerade im Hinblick auf die sich verändernden Zeiten , ist dieses Verfahren ein kulturgeschichtliches Versäumnis.

Es sind die Funde aus der Vergangenheit, die nicht vergessen werden sollten, denn aus ihnen lebt der Gedanke an das „Wir“ in einem gemeinsamen Europa ohne Krieg.

Sie als Leser unserer Seite bitten wir uns zu schreiben, welches Ihre Vorschläge zur Verwendung alter Grabsteinfunde wären – vielleicht ein Lapidarium ? vielleicht eine Art Weg der Erinnerung ? oder … ?  bitte schreiben Sie uns, vielleicht ist es möglich Ihre Idee umzusetzen.

Vielen Dank !

Gudrun.Tabbert@hauland.de          Przemek.Mierzejewski@oledry.pl

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HIER  RUHT  IN  GOTT  DER  EV.  LUTH.  PASTOR  –  JOHANNES  SEIDEL – 25. JAN ….

Am zweiten Advent, dem 6. Dezember 1885 fand in Neutomischel die Einführung des neugewählten Geistlichen statt, des Pastor Johannes Seidel, welcher bisher Hilfsprediger an der luth. Gemeinde in Ratibor gewesen war.

Es ist Neutomischel ein Städtchen im Süd-Westen der Provinz Posen gelegen, nicht weit von der Grenze der Provinz Brandenburg, mit deutscher Bevölkerung, 1.487 Einwohnern, wohlhabend und bekannt durch seinen Hopfenbau und Hopfenhandel.

Zu der gesamten dortigen lutherischen Parochie gehören 847 Seelen. Sie zählt außer der Hauptgemeinde 5 Predigtorte, die in einer Entfernung von 1 bis 3 Meilen um erstere herum liegen. Die größte Gemeinde Neutomischel hat 290 Seelen, Neuborui 240, Alttuchorze 141.

Pastor Seidel - Pastor der evgl. luth. Gemeinde von 1885-1917 in Neutomischel - Bild: D. Maennel Archiv

Pastor Seidel – Pastor der evgl. luth. Gemeinde von 1885-1917 in Neutomischel – Bild: D. Maennel Archiv

Am heutigen Festtage faßte das kleine Gotteshaus in Neutomischel nur mit Mühe die Menge der Kirchgänger, die aus allen zur Parochie gehörigen Gemeinden und weiter her gekommen waren. Vor dem Altar stand der einzuführende Pastor, um ihn herum die 13 Kirchenvorsteher; am Altar der einführende Superintendent Kleinwächter aus Posen, zu seiner Seite als Assistenten die Pastoren Peschko aus Züllichau und J. Biehler aus Prittisch. Von des Predigtamtes Kraft, Lohn und Segen redete der Superintendent in seiner Ansprache über 1. Kor. 3, 7-9. Darauf predigte der neue Pastor in seiner frischen Weise über Jesaia 40, 6-8: Von der Predigt und vom Prediger. Die Feier des heiligen Abendmahles schloß den Hauptgottesdienst, zu welcher Pastor Peschko in der Beichtansprache über 2. Kor. 8, 9 vorbereitet hatte.

Die lutherischen Familien der Stadt ließen sich es nicht nehmen, die Auswärtigen in ihren Häusern gastlich aufzunehmen.

Nach der Vorsteherversammlung am Nachmittag predigte um 5 Uhr Pastor Biehler aus Prittisch und forderte die Gemeinde auf Grund der Sonntagsepistel zu dem Gebete auf: Verleih uns, Herr, Beständigkeit 1) in der Hoffnung, 2) in der Liebe, 3) im Glauben.

Ihre Freude über den baldigen Einzug ihres neuen Hirten nach nur kurzer Vakanz zeigte die Gemeinde auch am Abend, wo sie in dem neu hergerichteten Pfarrhause ihm eine festliche Begrüßung mit Gesang und Ansprachen bereitete. Möchte es demselben gelingen, in gleicher Weise die Liebe der Gemeinde zu behalten, wie sie sein Vorgänger in den 16 Jahren seiner dortigen Wirksamkeit gehabt hat.

Quelle: Kirchenblatt vom 15.03.1886

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Kurzbiographie:

Johannes Gottfried Albert Max Seidel – geboren 25. Januar 1860 in Breslau, gestorben 28. Februar 1922 in Posen (Krankenanstalt) – der Verstorbene wurde von Posen überführt und am 04. März 1922 an seinem Wohnort Neutomischel  beerdigt

Er war der Sohn des Kgl. Stationsvorstehers Gottfried Seidel in Breslau (ca. 1827-1895) und dessen Ehefrau Albertine geborene Freyer (ca. 1825-1895)

Er war verheiratet seit 19. April 1887 in 1. Ehe mit Elisabeth Schröder – geboren 11. April 1861 in Militsch, gestorben 04. April 1897 Neutomischel, Tochter des Zimmermeister Christian Schröder in Militsch (ca. 1814-1900) und dessen Ehefrau geborene Scholz

in 2. Ehe seit 22. Juni 1898 mit Emma Walther – geboren 1861/62, gestorben 26. August 1912 Neutomischel

in 3. Ehe seit  04. Juli 1918 mit Emilie Pietsch

Pastor Seidel wurde wegen Krankheit 1917, nach annähernd 32 Jahren im Amte des Pastors der evangelisch-lutherischen Gemeinde Neutomischel emeritiert, sein Nachfolger wurde zu Jahresbeginn 1918 Pastor Ludwig Greve , Pastor Seidel  behielt in der Zeit seines Ruhestandes seinen Wohnsitz in Neutomischel

Quelle: D. Maennel Archiv, Kassel 2012