Die Tourist-Information der Stadt Nowy Tomyśl ist am Plac Niepodległości zu finden.
In ihr erhalten Besucher alle Informationen für Ihren Aufenthalt in der Stadt und deren Umgebung. Man findet bei ihr z. B. Prospekte mit Tipps zu den unterschiedlichsten Ausflugszielen und Sehenswürdigkeiten, sowie auch Karten für Wander- und Fahrradtouren in mehreren Sprachen. Und der Ein oder Andere ersteht hier ein Souvenir, dass ihn auch später noch an seinen Aufenthalt erinnert.
Die Geschichte des Grundstücks No. 42 ist jedoch eine viel ältere, in der Planung der Stadtgründung begann diese ungefähr im Jahr 1810 ….
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Es findet sich in den Aufzeichnungen der Provinzial-Feuerversicherung aus dem Jahr 1836 unter der No. 42 A und B ein Wohnhaus mit Stall. Als Inhaber des Anwesens wurde Carl Drescher genannt. Nicht bekannt ist, ob er auch der Bauherr auf dieser Parzelle gewesen ist.
Wie in jener Zeit üblich, handelte es sich um ein Bohlenhaus, dessen 7 Zoll starken Wände innen und außen mit Lehm beworfen waren. Das Haus verfügte über eine Grundfläche von 58 Fuß in der Länge und 26 3/4 Fuß in der Breite, dieses bei einer Höhe von 7 Fuß in der Etage (aus späteren Aufzeichnungen = 17,90×8,50×2,10 Meter in der Etage, 2,30 Meter im Dachstuhl und 2,08 Meter im Dachfirst = 152,15 Quadratmeter).
Das Stallgebäude war auf 3 Seiten von Fachwerk, die vierte war lediglich eine Bretterwand. Der Stall war 30 Fuß lang, 15 1/4 Fuß breit und wie auch das Wohngebäude 7 Fuß hoch (ca. 9,10×4,60×2,10 Meter). Während das Wohngebäude zur einen Hälfte über ein Schindeldach verfügte, war die andere mit „Biberschwänzen“, einem flachen, an der Unterkante halbrund geformtem Dachziegel gedeckt; das Dach des Stallgebäude hingegen war lediglich mit Rohr belegt.
Im Wohnhaus befanden sich 2 Flure, welche 3 Stuben und 2 Kammern miteinander verbanden und von denen auch 1 Dachkammer und 1 Keller zu erreichen waren. Das Haus verfügte über 7 Fenster mit je 2 Flügeln, 1 Fenster zu 1 Kugel, worunter man sich vielleicht ein rundes Fenster vorstellen kann, und als letztes noch über 2 Luken. Geheizt wurden die Räumlichkeiten über 3 Kachelöfen.
Während das Wohngebäude mit einem Giebel an das Nachbargebäude, die No. 41, des Färbers Erdmann Krönert stieß, stand es mit seinem zweiten Giebel frei, da sich unter der No. 43 lediglich ein noch unbebautes Grundstück, eine so. g. Baustelle, befand. Das Gebäude selbst war zum Zeitpunkt der Bestands- und Wertaufnahme in einem gutem Zustand, da es in jedem Jahr durchweg repariert worden war. Sein Alter wurde auf „etwa 26 Jahre“ eingeschätzt; es wäre somit ca. 1810 erbaut worden.
Im Stallgebäude waren 1 Pferde- und 1 Kuhstall, neben einer Wagenremise und 1 Siedekammer untergebracht. Das sich ebenfalls im guten Zustande befundene, auf dem Grundstück frei stehende Gebäude war ca. 14 Jahre alt, somit ca. 1822, erbaut worden, und hatte im Jahr 1836 noch keiner Reparaturen bedurft.
Der Bürger und Tuchfabrikant Johann Carl Friedrich Drescher wurde mit dem Jahr 1821 im Kirchenbuch erstmalig als in Neu Tomysl ansässig erwähnt. In diesem Jahr wurde von seiner Ehefrau Johanna Wilhelmine, einer geborenen Jokisch, das erste gemeinsame Kind in der Stadt geboren. Mit weiteren Tauf- bzw. Geburtseintragungen ist die Familie dann bis in das Jahr 1831 verfolgbar. Eine letzte Erwähnung findet sich im Januar 1861 zu Johann Carl Friedrich Drescher: im Kirchenbuch der evangelischen Gemeinde der Stadt ist in diesem Jahr bei der Eintragung der Eheschließung seiner jüngsten Tochter vermerkt, dass ihr Vater verstorben sei.
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Abbildung von Spinn-, Dampf-, und Webmaschine – Bild: http://www.europeana.eu/portal/record/2048417/item_DCN2GIXSI6WS7BJQ64UYVD356RSOCOPL. html?start=18&query=spinnmaschine&startPage=1&qt=false&rows=24
4 Jahre später fanden sich zwei weitere Hinweise auf das Grundstück mit der No. 42:
Unter dem 27. Mär 1865 teilt das Königliche Kreis-Gericht, Grätz dem Königlichem Landrats Amt zu Neu Tomysl mit, „das der Zimmermann Gottfried Kahl aus Scherlanke das Grundstück Neutomysl No. 42, mittels notariellen Vertrages vom 26. Januar 1865 von den Vorbesitzern den Wilhelm und Amalie Tepper‚schen Eheleuten für 850 Taler und ein Wohnungsrecht gekauft hat und daß der Besitztitel für den Käufer im Hypothekenbuche berichtigt worden ist.“
Diese Mitteilung wird seitens des Landrates, seinerzeit war dieses Herr von Saher,“an den Magistrat zur Kenntnißnahme und Erledigung“ weitergereicht. Dieser wiederum beantwortete dieses unter dem 6 Mai 1865 „mit dem ergebensten Bemerken, daß g. Kahl wie verlautet, das erkaufte Grundstück bereits wieder verkauft hat“.
Dieses findet sich dann in einem Schreiben datiert vom 18. Mai 1865 an den Kreis Geometer Herrn Koch, Wohlgeboren in Graetz, bestätigt. Darin heißt es: „Euer Wohlgeboren! beehre ich mich mit Bezug auf die Amtsblatt Verordnung, ganz ergebenst anzuzeigen, daß das Grundstück Neutomysl No. 42 durch Kaufvertrag vom 1. April d. J. auf mich eigenthümlich übergegangen, resp. in meinen Besitz gekommen ist. Der vorige Besitzer desselben war der Zimmermann Kahl aus Scherlanke. Hochachtungsvoll ergebenst August Brunsch u. Maria Brunsch geb. Drescher„.
Die erstgenannten Verkäufer Amalie und Wilhelm Tepper und die letztgenannten Käufer Maria und August Brunsch waren in direkter Verwandtschaft verbunden. Beide Frauen waren Schwestern; sie waren beide Töchter von Johann Carl Friedrich Drescher und seiner Ehefrau Johanna Wilhelmine geb. Jokisch. Warum der Ver- und Kauf über den aus Scherlanke stammenden Zimmermann Kahl abgewickelt wurde, ist nicht bekannt.
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Das Grundstück Neu Tomysl No. 42 wechselte um 1873 erneut seine Besitzer . Mit dem Jahr 1875 findet sich eine Erhöhung des Versicherungswertes des Anwesens. Der Inhabername Carl Drescher ist in den alten Unterlagen der Feuerversicherung durchgestrichen und mit dem Namen Carl Weissmann überschrieben worden. Anläßlich zahlreicher Veränderungen auf dem Gelände wurde ein neuer Lageplan erstellt . Einige der Gebäude wurden beschrieben „als vor 2 Jahren neu errichtet“ sodass die Umbauten vermutlich im Jahr 1873 auf dem Gelände getätigt worden waren und dass bereits zu diesem Zeitpunkt Carl Weissmann als neuer Eigentümer gelten könnte.
Der neue Lageplan wurde mit Datum vom 21.Mai 1875 beim Bürgermeister der Stadt Neu Tomysl und gleichzeitig bei der Staatl.- Feuer-Sozietät-Direktion eingereicht.
Als erstes fällt in dem Grundstücksplan auf, dass sich an die Giebelseite des Wohnhauses, welche an die einstige Baustelle unter No. 43 grenzte, sich nun die Remise der Familie Gutkind anschloss. Die Beschreibung des Wohnhauses als solches erhielt nur geringe Veränderungen; z. B. wurden die Giebelspitzen darin als mit Brettern verkleidet beschrieben, auch wurden nun 4 Öfen und 3 Kamine erwähnt.
Das große Stallgebäude kommt in den Aufzeichnungen nicht mehr vor. An dessen Stelle findet sich nun ein Schuppen (B) in einem Teil mit den Abmessungen von 3,40×2,06 und in einem weiteren mit 4,60×2,50 Metern Länge x Tiefe, also einer Grundfläche von 20,34 Quadratmetern bei einer Höhe über Alles von 2,50 Metern. Einesteils schloss sich dieses Schuppengebäude direkt an das Wohnhaus an, anderseits grenzte es mit der hohen Wand an den Schuppen des Nachbarn Gutkind.
2 Jahre zuvor (ca. 1873) war auf dem Grundstück ein Kesselhaus (C) errichtet worden. Mit den Abmessungen 4,20×4,00 Metern in der Länge und Tiefe hatte dieses eine Grundfläche von 16,80 Quadratmetern. Die Höhe des Gebäudes wurde mit 9 Meter angegeben. Zum Gebäude gehörte ein aus Stein gemauerter 35 Fuß ( ca 10,70 Meter) hoher Dampfkessel-Schornstein. Das Kesselhaus stand mit 3 Seiten frei zum Hof und nur eine, die 4te Seite, schloss sich an das Fabrikgebäude an.
Das Fabrikgebäude selbst (D) war ein 15,20×9,10 Meter in der Länge und in der Tiefe messendes Gebäude. Der 138,32 Quadratmeter in der Grundfläche und 3,30 Meter in der Höhe messende Ziegelfachwerkbau war gemäß den Unterlagen ebenfalls 1873 neu errichtet worden.
Als letztes im Jahr 1875 erwähntes Gebäude auf dem Gelände wurde ein weiterer Schuppen (E) aufgeführt. Auch sein Baujahr wurde mit „vor 2 Jahren neu errichtet“ angegeben; seine genannten Abmessungen waren 8,30×3,20 Meter in der Länge und Tiefe = 26,56 Quadratmeter in der Grundfläche bei einer Höhe von 2,40 Metern.
Als loses Blatt lag in dem Band der Gebäudebeschreibungen eine „Aufstellung sämtlicher Maschinen u. Maschinentheile des Hr. Spinnereibesitzers Carl Weissmann zu Neutomischel„.
Auf diesem wurden folgende Maschinen mit Angaben des „jetzigen Werthes“ gemäß Angaben seitens des Carl Weissmann aufgelistet:
1. Einen Dampfkessel mit Armatur Mark / Pf. 615,00
2. Eine Dampfmaschine nebst Zubehör Mark / Pf. 700,00
3. Die Wollenleitung nebst Hängeböcke u. 7 Scheiben Mark / Pf. 72,00
4. 1 Reißwolf mit Zubehör Mark / Pf. 135,00
5. 1 Vorspinnkrempel mit Beschläge Mark / Pf. 275,00
6. 1 Gutpelzmaschine mit Vorrichtung Mark / Pf. 400,00
7. 2 Spinnmaschinen á 60 Spindeln Mark / Pf. 60,00
8. 1 Zwirnmaschine mit Zubehör Mark / Pf. 20,50
9. 1 Reservespeisepumpe mit Wolle und Scheiben Mark / Pf.44,00
10. 1 Drehbank nebst Werkzeug dazu Mark / Pf. 70,20
Die Spinnereieinrichtung besaß somit einen Gesamtwerth von Mark / Pf. 2.411,70.
Über die Spinnerei Weissmann, deren Betrieb, der Anzahl von Beschäftigten und auch zu wann sie Ihren Betrieb aufnahm und wieder einstellte, ist nichts bekannt und auch nicht in alten Archivunterlagen gefunden worden.
Über den Besitzer Carl Weissmann und seine Familie konnte ebenfalls nichts konkretes in Erfahrung gebracht werden. Eine Information war wiederum den Personenstandsunterlagen zu entnehmen – die „separierte“ Ehefrau Johanna Wilhelmine Ernestine Weissmann geborene Kühn ging im Jahr 1890 eine erneute Ehe ein.
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Zu wann und auf welchem Wege der oder die nächsten Besitzwechsel vonstattengegangen sind wurde nicht gefunden. Auch bleibt unbekannt wann das Wohnhaus ausgebaut und aufgestockt bzw. das alte dem heutigen Gebäude gewichen ist. Auch fand sich nichts darüber zu wann der beschriebene immerhin knapp 11 Meter hohe Schornstein abgetragen wurde.
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Im Jahr 1890 ehelichte der Schneider Constantin Woskowiak, er war gebürtig aus Kuschten, Bertha Ottilie geborene Buchwald, eine Töpfermeistertochter aus der Stadt Neu Tomysl. Das Haus und Grundstück Neutomischel No. 42 findet sich im Jahr 1910 in deren Besitz.
Ihr im Jahr 1891 geborener Sohn Hans Martin Julius Woskowiak war der letzte bekannte, im Haus No. 42 ansässig gewesene Schneider.
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Quellen soweit nicht direkt an Bildern, Photos oder im Text genannt:
Akten des Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/) – Stadtakten / Beschreibung sämtlicher Gebäude in der Stadt Neu Tomysl + Katasteramt Grundsteuerrolle 1866-1899