Widmung von Ernst Günther – 27.05.1986
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Sarrasani – noch heute ist dieses der Begriff für großen Zirkus, für all die Attraktionen, die einen in die Welt des Lachens, Träumens, und des Staunens und in die, des immer wieder tosenden Applauses entführt.
Der Gründer dieses Zirkusses war Hans Erdmann Franz Theodor Stosch. Er war am 02. April 1873 früh um 1 1/2 Uhr zu Lomnitzer Glashütte geboren worden. Sein Vater war der Glasfabrikant Albert Friedrich Stosch und seine Mutter Hedwig Charlotte Catharina eine geborene Ernst gewesen. Da noch bis 1865 der Hermann Julius Moebius und dessen Ehefrau Anna Emilie Dorothea Auguste eine geborene Wende als Pächter der Glashütte genannt wurden, muss die Familie Stosch nach der Geburt ihrer ältesten Tochter im Jahr 1868 in Dresden, von dort nach Lomnitz übersiedelt sein.
Während er am 11. Mai 1873 in der evangelischen Kirche zu Friedenhorst nach der Konfession seines Vaters getauft wurde, war seine Mutter katholischen Glaubens gewesen. Seine im Kirchenbuch genannten Taufpaten waren:
Bernhard Stosch, Doctor med. in Berlin – Theodor Becker, Doctor phil. in Alt Ranft bei Freienwalde – Leopold Schnackenberg, Rittergutsbesitzer in Schroda bei Jablonowo – Theodor Postler, Pastor in Kirchplatz-Boruy – Marie Toepfer, Kaufmannswitwe aus Dresden, verwitwet gew. Ernst, die Großmutter
Aus der Ehe seiner Eltern entstammten nach den gefundenen Kirchenbucheintragungen 6 Kinder. Die 1869 geborenen Zwillinge und auch die 1871 geborene Schwester Therese Hedwig waren bald nach ihrer Geburt wieder verstorben. Hans, er nutzte diesen seiner Vornamen, hatte noch eine ältere und eine jüngere Schwester. Die ältere, Louise Maria Albertine Walpurgis auch Wally genannt, war 1868 geboren worden, während die jüngere, Elisabeth Friederike Erdmuthe, 1876 zur Welt gekommen war.
Neben den schon bei Hans erwähnten Paten wurden bei den Geschwistern noch Pastor Illgner, Alt Jastrzembski und Helene Illgner, als Pastortochter – Charlotte Opitz, Landschaftsräthin zu Lomnitz und Victor Opitz, 1871 noch als zukünftiger Rittergutsbesitzer auf Lomnitz – Emilie Stosch, Obertribunalräthin in Berlin und deren Tochter Franzisca Stosch, sowie auch Therese Stosch, Obertribunalrathstochter in Berlin – Hr. Altenkrüger, Geheimsekretär in Berlin – Marie Swoboda, Kaufmannfrau in Leipzig – Reinhard Cramer, Kreisgerichtssekretair in Grünberg genannt.
Alles in allem entstammte Hans Stosch also einer illustren Familie, in der Doktoren, Kaufleute, Pastoren, Tribunalräte und Kreisgerichtssekretäre vertreten waren.
Eine weitere entscheidende Information in den Kirchenbüchern der evangelischen Gemeinde zu Friedenhorst ist der Toteneintrag von Hedwig Stosch geborene Ernst vom 29. April 1884 mittags um 12 Uhr. Sie verstarb, so die Eintragung, an einer Brusterkrankung im Alter von 42 Jahren, 8 Monaten und 9 Tagen. Als ihre Eltern wurden Heinrich Ernst und dessen Ehefrau Marie geborene Lüdicke, letztere nach dem Tod ihres Mannes eine wiederverehelichte Töpfer, genannt. Hedwig Stosch wurde am 2. Mai 1884, einem Freitag auf dem evangelischen Friedhof zu Friedenhorst mit einer Standrede beerdigt. Zum Zeitpunkt Ihre Todes waren ihre Kinder Walpurgis 16, Hans 11 und Friederike 8 Jahre alt.Ernst Günther, Autor des Buches „Sarrasani wie er wirklich war“, schreibt über die dann folgende Zeit „…für die beiden Mädchen hatte Albert Stosch eine Gouvernante angestellt, den Sohn, auf den er seine ganze Hoffnung setzte, gedachte er selbst zu erziehen. Seine Strenge war bekannt im Ort.“
Hans soll jedoch den Erziehungsmaßnahmen des Vaters widerstanden haben, genau wie dessen Wunsch ein Chemiestudium zu absolvieren und daran anschließend die Glashütte weiter zu führen. Er soll viele Schulen besucht haben und an keiner lange Zeit verblieben sein; letztlich legte er in Brandenburg an der „von Saldern’schen Schule“ das „Einjährige“ ab. Eine kaufmännische Ausbildung in Berlin, also der Stadt in der zahlreiche Zirkusse gastierten und in der Hans die verschiedensten Veranstaltungen hätte besuchen können, soll ein Ende gehabt haben, als sein Lehrherr diesen Umstand des grossen Interesses von Hans an den Schaustellern, an den Vater meldete und dieser ihn zurück in den Glasfabrikationsbetrieb orderte. Hans war zu dieser Zeit etwa 15 Jahre alt.
Man findet wiederum verschiedenste „Erzählungen“ über die weitere Zeit. Ob es wirklich ein Streit mit der im Haushalt lebenden Gouvernante oder doch einer mit den Vater direkt war; oder ob es die Eheschließung seiner Schwester Walpurgis mit dem königlichen Regierungsbaumeister Georg Rehdantz in Jarotschin im Oktober des Jahres 1888 und ihrem damit verbundenem Auszug aus dem Elternhaus war; oder gar die ihm vom Vater zugedachte Arbeit; oder schlichtweg alles zusammengenommen – 1888 soll das Jahr gewesen sein in dem Hans Stosch von zuhause „fortgelaufen“ sein soll.
Auch über diese Flucht gibt es die Wahrheit verklärende Berichte. Hans soll in Scheunen übernachtet, sogar eine ganze Nacht auf dem Friedhof am Grab seiner Mutter verbracht haben ehe er letztlich in der Wanderschau der Wwe. Kolzer, welche in Bentschen gastierte, Aufnahme fand.
Er arbeitete anfangs als Stallbursche, später als Stallmeister und er dressierte nebenbei Tiere. 1890 stellte er seine erste Solovorführung mit einem Polka tanzenden Pudel vor. In jene Zeit fällt vermutlich auch die Wahl seines Künstlernamens Sarrasani. Es folgte eine Zeit des Reisens und der Gastspiele an den verschiedensten Orten. 1893 gastierte der Dressurclown Hans Stosch-Sarrasani in Stuttgart. Hier lernte er Anna Albertina Augusta Maria Ballhorn, geboren am 20. Oktober 1873, kennen und beide heirateten. Es folgten viele Wanderjahre, welche das junge Paar auch nach Russland, wo Hans Stosch-Sarrasani mit seiner Dressurnummer auch die Ehre zuteil wurde, am Zarenhof auftreten zu dürfen. 1896 wurde auf einer der vielen Tourneen in Berlin die Tochter Hedwig und auf einer weiteren im Jahr 1897 in Sorau der Sohn Hans geboren.
Mit Hilfe eines alten Schulfreundes, den Hans Stosch-Sarrasani 1896 in Berlin wiedertraf und der eine Künstleragentur führte, kam er an zahlreiche, auch gut bezahlte Engagements. Diese verschafften ihm letztlich mit seiner Tierdressurnummer den erhofften Durchbruch. Er verdiente nun ausreichend um sich und seine Show auch auf Werbeplakaten präsentieren zu können. Sein Bekanntheitsgrad nahm zu und er wurde zu Privatvorstellungen an europäischen Adelshöfen engagiert.
1901 unterhielt Hans Stosch-Sarrasani seinen ersten kleinen eigenen Wanderzirkus; als Heimatquatier von diesem war Radebeul bei Dresden ausgewählt worden.
Die Frage warum gerade in Radebeul ist nicht schlüssig geklärt worden. Eine Vermutung welche sich noch heute in Büchern findet war, dass er sich mit seinem Vater, der sich um 1876 in Oberlößnitz zur Ruhe gesetzt hatte, versöhnte und dadurch in dem kleinen Radebeul das Quartier mietweise für seine Familie und Tierschar genommen hatte.
In der Folgezeit wuchs der Zirkus und wurde weiter ausgebaut. Ab 1910 entstand dann letztlich in Dresden ein großer und fester Zirkusbau. Bei der Standortsuche und -beschaffung, so schreibt Ernst Günther in seinem Buch „Sarrasani wie er wirklich war“, soll ein Vertrauter, vermutlich Paul Illgner, unterstützend bei den Behörden seinen Einfluss geltend gemacht haben.
War der Kontakt zur Familie Illgner auch nach den vielen Jahren seiner Abwendung von seinem Elternhaus nicht abgerissen ? Paul Oscar Illgner, um ihn müsste es sich gehandelt haben, war ein Sohn von Oscar Wilhelm Erdmann Illgner gewesen. Dieser war zur Kinderzeit von Hans Stosch Pastor in Friedenhorst gewesen. Er hatte ihn und seine Geschwister, ausser seiner ältesten Schwester, getauft und seine Mutter und seine früh verstorbenen Geschwister beerdigt. Die zweite Ehefrau von Pastor Illgner war Sophie Emma geborene Stosch, eine Schwester des Vaters von Hans, also dessen Tante gewesen.
Mit der endgültigen Bauabnahme dieses Zirkusbaues am 19. September 1912 war der große Traum des Hans Stosch-Sarrasani wahr geworden.
Den Abschluss unseres Artikels, dieses vielleicht auch als Zeichen, dass Hans Stosch-Sarrasani seine Kindheit nicht vergessen hatte, soll eine kleine Zeitungsmeldung aus dem Kreis Blatt für den Kreis Neutomischel zugleich Neutomischeler Hopfenzeitung vom 24. Juni 1913 bilden; es wurde gemeldet:
„L o m n i t z. Der Besitzer des bekannten Zirkus Stosch-Sarrasani, H. Stosch, der in Lomnitz geboren und in Friedenhorst getauft worden ist, hat zum Neubau der Kirche in Friedenhorst 400 Mark geschenkt. „
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Bilder – Europäische Digitale Bibliothek – EUROPEANA
[1] Bild: Clown Sarrasani with his funny family;
[2] Bild: Herr u. Frau Stosch-Sarrasani ;
[3] Bild: Der grosse Circus Sarrasani kommt ;
[4] Bild: Hans Stosch-Sarrasani
Buch – „SARRASANI wie er wirklich war“ – Autor: Ernst Günther – Henschelverlag Kunst und Gesellschaft DDR-Berlin 1985
Kirchenbücher der Gemeinde Friedenhorst/heute Jastrzębsko Stare – Staatsarchiv in Poznan (http://szukajwarchiwach.pl)