Hauländer oder Holländer ?

Durch die Haulaender gepraegte Landschaft bei Przylek / Scherlanke - Aufn. 05/2011 GT

Immer wieder taucht die Frage auf woher eigentlich der Ausdruck Hauland stammt. Eine frühe Erwähnung dieses Zusatzes an Dorfnamen ist z. B. bereits in Unterlagen aus dem Jahr  1743 zu finden (siehe Kirchenbuch Rackwitz / Catechumeni)

Eine Vermutung z. B., dass  dieser Begriff 1772 nach der 1. Teilung Polen durch die preußische Verwaltung geprägt worden sein könnte, kann eigentlich durch die belegte frühere Verwendung  ausgeschlossen werden. Man stößt bei weiteren Recherchen, dann doch auf unterschiedlichste Erklärungen und Deutungen – aber auch darauf, dass diese Frage schon über Jahrhunderte immer wieder gestellt wurde und … unbeantwortet blieb.

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Schon im Jahr 1813 (1) heißt es: „In Preußen, und besonders im ehemaligen Polen werden alle Kolonisten Holländer genannt (auch in vielen Deutschen Gegenden G.) Man sollte aber, wie es auch bei gerichtlichen Verhandlungen geschieht, Hauländer schreiben und sprechen, denn so hießen diese Pflanzer ursprünglich. Sie bekamen Wildnisse, die sie erst roden und aushauen mussten; ihre Äcker wurden daher Hauländereien, sie selbst Hauländer genannt. An vielen Orten spricht der gemeine Mann das au wie o aus, hoen statt hauen. Daher wurde aus Hauländer, Holänder (und, da man die Abstammung zu vergessen anfing, aus diesem, Holländer. G.). Dies ist die wahren Ursache, dass wir, an so vielen Orten und in so vielen Gegenden Deutschlands Holländer finden, von welchen die Erdbeschreiber uns weiß machen, sie währen aus Holland gekommen.“ Heinze. In Preußen, besonders Südpreußen, sind diese Hauländer sehr häufig. Das Eigenthum eines einzelnen Hauländers heißt Hauländerei; diejenigen Hauländer, welche ein Gemeine bilden, obgleich der erste vom letzten oft eine Meile entfernt wohnt, heißen Hauländergemeinde, die Grundstücke derselben Hauland. B.

Hier wird also ganz entschieden Stellung gegen die Ableitung eines Ursprunges dieses Begriffes vom Holländer und aus Holland bezogen. Vielmehr erklärt man, dass Hauland vom Wort und der Tätigkeit aushauen, also die Wildnis roden, her abzuleiten ist und derjenige, der diese Tätigkeit ausübt eben ein Hauländer ist.

1743 wurde der Begriff Hauland bereits erwähnt - Kopie aus dem Kirchenbuch Rackwitz, Quelle: Staatsarchiv Poznań, 3843/Akta stanu cywilnego Parafii Ewangelickiej Rakoniewice (pow. wolsztyński), sygnatura 2 ("Kirchenbuch der Getauften, Getrauten, Verstorbenen" 1714-1766) http://szukajwarchiwach.pl/53/3843/0/-/2/

1820 ist eine noch detaillierte Auslegung   (2) zu finden: Hauland, Hauländer, s. Hollänger – Der Holänger, Hollänger, der Holländer und Hauländer bei denen, die besser sprechen wollen, der Erbbesitzer einer Bauernwirtschaft, von welcher er dem Grundherrn nur jährliche Zinsen entrichtet und bestimmte Hand- und Spanndienste thut. Hierdurch unterscheidet sich in Allgemeinen der Holländer oder Hauländer von dem gemeinen Bauer, der bloss Nutznießer seiner Wirtschaft ist, so lange ihn der Gutsherr darauf lassen will, und der für den Herren mit seinen Leuten und Vieh oft mehr als für sich selbst arbeiten, dagegen sich aber auch um sein Haus oder seine Hütte , sein Vieh und Geschirr wenig oder gar nicht kümmert, was ihm der Herr von neuen schaffen und herstellen muss, wenn es zu Grunde gegangen ist. – Davon die Holländerei oder Hauländerei, die Besitzung eines Holländers oder Hauländers; das Holland oder Hauland, mehre Holländereien, welche zusammen gehören, zusammengenommen, entweder, in Ansehung der Gehöfte, bei einander, oder voneinander entfernt liegend. – Ob Holländer oder Hauländer richtig sei, darüber sind die Meinungen verschieden, indem ein Teil behauptet, die ersten Anleger von Holländereien seien aus Holland Eingewanderte gewesen, der andere aber, solche Eigentümer haben den Namen vom Aushauen der Bäume auf den von ihnen, aus der Fremde Eingewanderten, gekauften oder auf andere Weise erlangten Grundstücken und dem Urbarmachen derselben empfangen. Könnte urkundlich bewiesen werden, dass die ersten Einwanderer dieser Art wirklich aus Holland kamen (Dass dies allerdings möglich ist, beweiset auch der Umstand, dass sich holländische Anbauer in verschiedenen Gegenden Deutschlands niedergelassen haben wollen, wie S.O. aus Hs anführt: Hollaender, Hollandi advenae, coloni partium Germaniae, Holerici H. G*) (das frühzeitig dergleichen aus Niedersachsen oder auch aus dem ganzen Striche an der Ostsee, wo Niederdeutsch gesprochen wurde, und größtenteils noch wird, kamen, leidet keinen Zweifel), so wäre die Schreibung Holländer, Holländerei, Holland die ursprüngliche und richtige. Da dies aber schwerlich nachgewiesen werden kann, so haben diejenigen mehr für sich, die Hauland, Hauländer u. sagen und schreiben, indem es mit dem Aushauen der Waldungen seine Richtigkeit hat, da die meisten Hauländereien in waldigen Gegenden liegen und die andern einst wohl lagen, und indem selbst die Holländer, wenn dergleichen aus Holland zuerst kamen, den Wald auf ihren Grundstücken erst aushauen mussten. Dazu komm, dass in der Schriftsprache, auf den Kanzeln, in den gerichtlichen Verhandlungen öfter Hauland, Hauländer u als Holland u gebraucht wird. Selbst die Aussprache des gemeinen Mannes ist denen, die sich für Hauländer erklären, nicht entgegen, indem man meist Hoolänger hört, und hoo’n für hauen gesagt wird. Als eine Vermutung stehe hier noch, dass Hauländer überhaupt einen Hausvater, einen Haus- und Landwirt (aus der Fremde – dem Norden – gekommen) bedeutet haben könne, nach dem Is. wo Haulldar, Hauldr, Hausvater, Schützer der Familie bedeutet, von Haull, Haull, aula, palatium – domus quaevis. So heißt es in der Edda: Their menner haulldar heita, that eru baendur their ergellder eru at aettum oc rettum fullum, Haulldar sunt patresfamilias genere et privilegiis conspicui. Im Gl. E. S. heißt es unter Havldar. „Forte Havldar proprie sinttutores, protectore, ab at hylia.“ Die mit Holländer oder Hauländer gebildeten Zusammensetzungen, als H-dorf, – gemeinde, – wirtschaft u bedürfen keiner Erklärung.

Landschaft bei Kozie Laski / Königsfelde Aufn. 05/2011 GT

In dieser Erklärung sind die  Siedler, der sich unter bestimmten Privilegien an einem Ort niederließen  und die daraus entstandenen Gemeinden eben die Hauländer und die Hauländergemeinden. Man schließt nicht aus, dass es eine Ableitung der schon früh wandernden Holländer sein könnte, aber man verweist ausdrücklich darauf, dass dieses nicht zu belegen ist. Es wird auch erwähnt, dass Hauland und Hauländer eine Ableitung aus der niederdeutschen Sprache sein könnte.

Zu letzterem, der Ableitung aus der niederdeutschen Sprache – also dem Plattdeutschen, bietet sich dann folgender Fund (3) aus Hamburg und Umgebung an, wo der Begriff Hauland auch heute noch zu finden ist:

Haulander Weg – Alter Deich um das Hauland, das bereits um 1490 eingedeicht wurde. Hau ist der plattdeutsche Ausdruck für Heu. Hauland ist also das Heuland. Heute ist der Name auch auf den westlich anschließenden ehemaligen Grünen Deich ausgedehnt, da es bei der Eingemeindung nach Hamburg dort bereits einen Grünen Deich gab.

Hauland – Der östliche, durch die Reichsstraße abgetrennte Teil des alten Haulander Weges heißt seit 1959 Hauland. Der Name ist 1959 auch auf den Fahrrad- und Interessentenweg übertragen, der östlich an der Reichsstraße zur Neuenfelder Straße führt.

1903 erschien dann noch folgender Artikel (4) Mit dem Beinamen „Hauland“ ist die Entstehungsart des Dorfes gekennzeichnet; denn einerlei, ob man „Hauland“ von der erstmaligen Besetzung solcher Kolonien durch eingewandert Holländer (In lateinischen Urkunden heißen die Bewohner „Holandi“, im Polnischen „Oledry“ und „Olendry“. Diese Ansicht wird gegenwärtig von den meisten vertreten), oder davon ableiten will, dass die Ansiedler erst den Wald hauen mussten (also Hauland gleich – „rod“ in deutschen Ortsnamen), soviel steht jedenfalls fest: diese Dörfer bilden eine ganz besondere Gattung unter den Ansiedelungen. Eine durchaus zutreffende Schilderung von Ansiedlungen, die im 18. Jahrhundert auf Waldboden angesetzt wurden, gibt Chlebs in seiner kleinen, anonym erchienenen Schrift „Über Ursprung und Verbreitung des Deutschthums im Grossherzogthum Posen“ (Berlin: Mittler & Sohn 1849) auf Seite 32 ff.

„Sie erhielten entweder einen bestimmten Walddistrikt nach Hufen zugemessen oder es wurde ihnen – was bei der damaligen Wertlosigkeit der Wälder nicht verwundern darf – im allgemeinen, ohne nähere Bestimmung des Distrikts gestatte, eine bestimmte Anzahl von Hufen zu roden, wo ihnen solches beliebte. Jeder einzelne erhielt seinen Besitzstand in einem, oft aber auch, je nach der Güte des Bodens, in vielen zerstreuten Stücken hutfrei, häufig mit dem Gutsherrn bewilligten Holze umzäunt, und baute sich in der Mitte seines Besitztums auf, so das die Etablissements der Hauländer oft regellos in den Wäldern zerstreut liegen. Wenigstens war dies die Regel, obgleich auch geschlossene Hauländerdörfer sich vorfinden.

„Ihre Leistungen, in Geld- und Naturalzins und nur wenigen Diensten, meist zu bestimmten wirtschaftlichen Zwecken, als Bauten, Holzfuhren etc. bestehend und erst nach vielen Freijahren eintretend, waren im ganzen mäßig; ihr Besitz in der Regel freies Eigentum, nur hin und wieder durch den herrschaftlichen Konsens zum Verkauf beschränkt. Dabei genossen sie häufig Befreiung von öffentlichen Lasten, als Kopfgeld, Einquartierung etc., und in der Regel sehr ausgedehnte Hütungs-, Streu-, Mast- und Holzgerechtsame, auch Hülfe bei Brandschäden und andern Unglücksfällen. Einkaufsgeld wurde selten gefordert.

„Da dies überdies gleich allen übrigen deutschen Ansiedlern persönlich frei blieben, so konnten sie bald zu einem gewissen Wohlstande gelangen. Zwar hat der Übelstand, dass viele dieser Hauländereien auf zu leichtem sandigem Waldboden und ohne Wiesen angesetzt sind, ihr Gedeihen häufig gehindert. Auch hatten sie in höherem Grade, als die älteren Ansiedler, von der Willkür ihrer Erbherrn zu leiden, die ihnen nicht selten die verheißenen Privilegien ganz vorenthielten, oder die erteilten später durch Erhöhung ihrer Lasten und Entziehung mancher Gerechtsame zu ihrem Nachteile veränderten. Obgleich meistens in Kommunen mit einer ähnlichen Gemeindeverfassung wie die älteren, in größeren Massen zusammengedrängten Kolonnen vereinigt, waren sie doch wegen ihrer isolierten Lage weniger als diese imstande, mit Erfolg gegen solche Willkür anzukämpfen, und mussten sich manche Beeinträchtigung gefallen lassen, für die sie sich dann wohl hin und wieder durch Einroden, Ausdehnung ihrer Waldgerechtsame und andere Eingriffe in das mangelhaft beaufsichtigte Eigentum ihrer Grundherrn zu entschädigen suchten. Daher die vielen, bis in die neueste Zeit herüber gekommenen Prozesse, in welche sie mit ihren Grundherrn verwickelt wurden, und die eben nicht geeignet waren, ihren Wohlstand zu fördern.

„Indessen haben sie sich trotz dieser ungünstigen Einwirkungen überall in ihrem Besitztum zu erhalten gewusst und bilden noch heute einen sehr zahlreichen und achtbaren, durch Betriebsamkeit und Tätigkeit ausgezeichneten Teil der deutschen Bevölkerung hiesiger Provinz, der sich selbst auf dürftigem Boden durch Bau von Handelsgewächsen, namentlich Hopfen, und durch allerlei Nebengewerbe, als Schiffahrt, Fuhrwesen, Brettschneiden etc. gut ernährt.

„Wir finden diese Hauländereien besonders in denjenigen Kreisen verbreitet, die damals noch weniger kultiviert und waldreicher waren, wie in den Kreisen Birnbaum, Meseritz, Bomst, Buk, Schrimm, Schroda, Genesen, Mogilno, wogegen sie in den damals schon kultivierteren Kreisen Fraustadt, Kröben, Wirsitz und Bromberg fast gar nicht vorkommen“

Allein in den bei der ersten Teilung Polens (1772) in Besitz genommenen Landesteilen zählte man über 400 solcher Hauländerdörfer, deren Grösse mitunter sehr beträchtlich war.

Bei Glinno / Glinau - Aufn. 05/2011 GT

Abschließend ist also festzustellen , dass der Begriff Hauland seit 1743 nachweislich verwendet wird, der tatsächliche Ursprung dieser Bezeichnung aber nicht zu bestimmen ist.

Quellen:

(1) 1813 Aus Wörterbuch der Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke – Ein Ergänzungsband zu Adelungs’s und Campe’s Wörterbüchern – Neue starkvermehrte und durchgängig verbesserte Ausgabe von Joachim Heinrich Campe, Doktor der Gottesgelehrtheit. – Braunschweig 1813

(http://books.google.de/books?id=niQ-AAAAcAAJ&pg=PA201&lpg=PA201&dq=hauland+bedeutung&source=bl&ots=MH4Q-l3r5V&sig=hlc9w0c8cl7jvWItI3PWwOQ69qs&hl=de&ei=gMWcTIO-OMLAswbU3JjmDg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=2&ved=0CBwQ6AEwATgK#v=onepage&q=hauland%20bedeutung&f=false)

(2) Aus Die deutsche Sprache in dem Großherzogtum Posen und einem Theile des angrenzenden Königreiches Polen, mit Vergleichungen sowohl der Mundarten, als auch anderer Sprachen, und mit eigenen Forschungen. Von dem Verfasser des J. H. Campe veranstalteten und herausgegebenen Wörterbuches der deutschen Sprache, Dr. Chn. Sam Theodor Bernd, Beamteten bei der königl. Büchersammlung der hohen Schule zu Bonn, und Mitgliede der Berlinischen Gesellschaft für deutsche Sprache. Bonn, 1820

(http://books.google.de/books?id=mS4GAQAAIAAJ&pg=PA92&lpg=PA92&dq=hauland+bedeutung&source=bl&ots=-yNd4YvlnN&sig=U0JKKPCeuxZ_VvL41IONGiRzOQ4&hl=de&ei=gMWcTIO-OMLAswbU3JjmDg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=5&ved=0CCYQ6AEwBDgK#v=onepage&q=hauland%20bedeutung&f=false)

(3) http://www.alt-wilhelmsburg.de/strassennamen.htm

(4) Aus Zeitschrift der Hist. Ges. für die Prov. Posen. Jahrg. XVIII. Auszug aus „Das Hauländer-Dorf Goldau bei Posen. – Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte Gross-Polens im 18. Jahrhundert. Von Dr. Clemens Brandenburger

http://www.archive.org/stream/zeitschrift03posegoog#page/n14/mode/1up/search/Hauland