
Brief der Ida Maennel an den Bürgermeister Witte zu Neutomischel bzgl. des zu vermachenden Legats - Quelle: Staatsarchiv Poznań, 4385/Akta miasta Nowy Tomyśl, Signatur 14 ("Geschenk der Frau Ida Maennel in Grünberg in Schlesien- Zinsen des Geschenkes sind alljährlich an hiesige Ortarmen zu verteilen) http://szukajwarchiwach.pl/53/4385/0/1.1/14/
Durch die geschichtlichen Ereignisse der Vergangenheit wissen etliche Menschen nichts mehr über Ihre Vorfahren, deren Heimat und deren Herkunft. Viele Familien wurden auseinander gerissen, viele Menschen starben – und sterben heute wieder – in unsinnigen Kriegen, viele begannen ein neues Leben und begruben die Vergangenheit, viele redeten nie wieder über „das“ was gewesen war.
Heute, wo die Grenzen sich geöffnet haben, wo es die Möglichkeit gibt aufeinander zuzugehen, sich die Hand zu reichen, miteinander zu reden und Freunde zu werden, suchen immer mehr Menschen nach ihren Wurzeln.
Bei Vorfahren, die es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht haben sind heute die Biographien vielfach über die Medien im Internet zu lesen. Es gab aber auch die, die ihr „kleines“ Leben lebten, ein Leben von dem heute nichts mehr bekannt ist. Menschen, die sich z. B. einen Doktortitel erarbeiteten und dann als Ärzte oder Lehrer tätig waren, Menschen, die vielleicht als Baumeister an der Errichtung eines Rathauses, eines Wasserwerks oder ähnlichem beteiligt waren, Menschen,die versuchten ihren bedürftigen Mitmenschen das Leben etwas zu erleichtern.
Es wird schwer sein über diese Menschen etwas zusammen zu tragen, wir hoffen, dass es aber trotzdem gelingen wird. Einige kleine Artikel haben wir schon veröffentlichen können, und wir hoffen noch weitere Informationen zu finden; vielleicht weiß der ein oder andere Leser unserer Seite auch um Jemanden, über den hier berichtet werden sollte oder kann sogar zu dem ein oder anderen noch etwas ergänzen ? Wir freuen uns über jede Mitarbeit – unsere Mailanschrift lautet: Neutomischel.Autorenkontakt@yahoo.de
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Eine dieser in Vergessenheit geratenen Helferinnen, über die hier berichtet werden soll, war Frau Ida Maennel geb. Toeffling. In alten Unterlagen ist zu finden, dass sie der Stadt Neutomischel ein Legat in Höhe von Mark 3.000,00 vermachte und verfügte, dass dessen Zinsen zur Armenunterstützung verwendet werden sollten.
Sie wurde als Ida Margarethe Emilie Toeffling am 15. März 1856 in Neutomischel geboren. Ihre Eltern waren Gustav Ferdinand Carl August (1830-1903) Bürger und Gasthofbesitzer in Neutomischel und dessen Ehefrau Emma Wilhelmine Ottilie Hoffmann (*ca. 1836-1859). Sie heiratete 1880 in Neutomischel Carl Daniel Maennel, welcher am 12 April 1846 in Neutomischel geboren worden war. Er war ein Sohn des in Neutomischel ansässigen Bürgers, Kaufmanns und Dampfmühlenbesitzers Johann Alexander Maennel (*1813) und dessen Ehefrau Johanna Wilhelmine Ottilie Sperling (*1817). Beide stammten also aus einflussreichen und zu ihrer Zeit wohlhabenden Familien.
Vermutlich siedelte das junge Paar unmittelbar nach ihrer Eheschließung nach Grünberg in Schlesien über und betrieb dort die Carl Maennel Dampfmühle und Graupenfabrik. Die in ihrer Ehe geborenen Kinder verstarben sehr früh, sodass es keine Nachfolger gab. Carl Maennel verstarb schon im Jahr 1899 im Alter von 53 Jahren und Ida, seine Witwe wurde mit nur 43 Jahren zur Alleinerbin des erarbeiteten Vermögens. 1903 wurde sie nach dem Tod Ihrer Vaters am 03. September auch dessen Erbin. Soweit wir bis jetzt feststellen konnten war sie die einzige Nachfahrin ihrer Eltern. Über ihre Stiefgeschwister aus der zweiten Ehe ihres Vaters ist bis jetzt noch nichts weiteres bekannt, ggfls. waren diese Miterben.

1904 Die Liste der ersten Zinsertragsausschüttung zur Unterstützung Bedürftiger der Stadt Neutomischel - Quelle: Staatsarchiv Poznań, 4385/Akta miasta Nowy Tomyśl, Signatur 14 ("Geschenk der Frau Ida Maennel in Grünberg in Schlesien- Zinsen des Geschenkes sind alljährlich an hiesige Ortarmen zu verteilen) http://szukajwarchiwach.pl/53/4385/0/1.1/14/
In einem vom 30.12.1903 datierten Schreiben der Ida Maennel an den Herrn Bürgermeister Witte in Neutomischel heißt es: „Mit Gegenwärtigem erlaube ich mir Ihnen mitzuteilen, daß ich beabsichtige der Stadt Neutomischel von dem Erbe meines verstorbenen Vater’s „Gustav Toeffling“ ein Legat von „Mark 3000“ zu vermachen.“ … und am Ende des Briefes „… persönlich übergeben um gleichzeitig Ihnen meine Wünsche betreffs Verteilung des Zinsen kund zu tun.“
Es wird dann verfügt, dann die Zinsen von Mark 1.500,00 1 x jährlich am 03. September zum Todestag des Vaters, der in dieser Verfügung als Hotelbesitzer und Stadtverordneter benannt wurde, die der zweiten Mark 1.500,00 1 x jährlich am 15. November zum Todestag der Mutter, sie verstarb als Ida Toeffling gerade 3 Jahre alt gewesen war, ausgezahlt werden sollten. Die jeweilige Auszahlungssumme soll den Mindestbetrag von Mark 10,00 erfüllen und durch die Armenverwaltung der Stadt zur Verteilung gelangen. Das Kapital als solches durfte nicht verringert werden und war zinstragend sicher durch den Magistrat der Stadt Neutomischel zu verwalten.
Der erste zu verteilende Zinsertrag auf den 1sten Teilbetrag von Mark 1.500,00 belief sich auf Mark 123,09 zum 03. September 1904; für den 2ten Teilbetrag von wiederum Mark 1.500,00 verzögerte sich die Zinsaufteilung bis zum November 1905, an welchem dann Mark 105,00 ausgeschüttet werden sollten.
Es erhalten als Unterstützungbedürftige, so die Liste der ersten Ausschüttung:
- Mark 10,00 – Zithier, Ottilie – Ortsarme
- Mark 10,00 – Olszewski, Pauline – Ortsarme
- Mark 10,00 – Hoffmann, Minna – Schneiderin
- Mark 13,09 – Bertin, Marin – Fräulein (der Betrag wurde vermutlich aufgerundet auf Mark 15,00)
- Mark 10,00 – Schüttkow, Berta – Ortsarme
- Mark 10,00 – Janott, Juliane
- Mark 10,00 – Marciyewski, Marianna – Ortsarme
- Mark 10,00 – Szymanska, Marianna- Ortsarme
- Mark 10,00 – Olszewski, ? – Tischler
- Mark 10,00 – Puterczyz, Vincent – Arbeiter
- Mark 10,00 – Kuss, Ernestine Juliane – Arbeiterin
- Mark 10,00 – Krüger, ?
Mit Beschluss vom 26. Mai 1908 verlieh die Stadt die Mark 3.000,00 als Hypothekendarlehen mit einer Verzinsung von 4,5 % auf das Grundstück Kirchplatz Borui No. 42 welches dem Gasthofbesitzer „Gasthof zur Hopfenblüte“ Oskar Kern gehörte. Eine Rückzahlung erfolgte durch Elfriede Kern per 01. Januar 1919. Das Geld wird anschließend ab dem 01. April 1919 wiederum als Hypothek mit einer Verzinsung von 4 ½ % jährlich an den Lehrer Edmund Matzke in Kirchplatz-Borui verliehen.

1919 - die letzten Aufzeichnungen zur Zinsverwendung und Anlage des Kapitals - Quelle: Staatsarchiv Poznań, 4385/Akta miasta Nowy Tomyśl, Signatur 14 ("Geschenk der Frau Ida Maennel in Grünberg in Schlesien- Zinsen des Geschenkes sind alljährlich an hiesige Ortarmen zu verteilen) http://szukajwarchiwach.pl/53/4385/0/1.1/14/
Bis 1919 ist auch die Verteilung der Zinserträge an Unterstützungbedürftige mit Listen nachzuvollziehen; hier die Abschrift der letzten Verteilung
- Mark 10,00 – Goldmann, Ernestine – Witwe
- Mark 10,00 – Koeth, Rosalie – Witwe
- Mark 00,00 – Roek, Emma – unverehelicht (wurde gestrichen)
- Mark 15,00 – Wilhelm, Paulina – ?
- Mark 15,00 – Franzkowiak, Maria – Witwe
- Mark 10,00 – Kechlow, Mathilde – Witwe *
- Mark 10,00 – Baum, Maria – Witwe
- Mark 10,00 – Kruschel, Juliane – Witwe
- Mark 10,00 – Lange, Wilhelmine – Witwe
- Mark 10,00 – Schanzenbach, Ernestine – Witwe
- Mark 10,00 – Peterczyk, Michalina – Witwe
- Mark 10,00 – Kechlow, Mathilde – Witwe * (sie erscheint 2 x auf der Liste)
Ja . . . und danach verläuft sich jeder weitere Hinweis auf das Legat und dessen Bestimmung zur Armenunterstützung.
Ida Margarethe Emilie Maennel geborene Toeffling verstarb am 27. Mai 1930 in Dresden.
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Das Legat
Durch das Legat erhält der Bedachte einen Anspruch auf eine bestimmte Sache oder einen Geldbetrag aus dem Vermögen des Erblassers. Er wird dadurch nicht Erbe, sondern hat lediglich Anspruch auf den / die genannten Gegenstände respektive den Geldbetrag. Dabei dürfen jedoch Pflichtteile nicht verletzt werden. Legatnehmer haften nicht für Schulden des Erblassers.