In der Zeitschrift des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens „Im deutschen Reich“, erschienen in Berlin im October 1900 / No. 10. fand sich ein Nachruf, der einmal mehr aufzeigt, dass einstige Bewohner „ihre“ Geburtsstadt nicht vergessen und mit großzügigen Spenden bedacht hatten; sie selbst aber längst in keiner Geschichtsschreibung mehr erwähnt werden.
In der Stadt Grätz gab es seit dem 17. Jahrhundert den „neuen“ jüdischen Friedhof, nachdem der einstige „alte“ Friedhof, er befand sich in der Nähe des Bernhardinerklosters bei der Ul. Bukowska, wegen Überfüllung geschlossen worden war. Dieser „neue“ Friedhof lag an der Ul. Żwirki i Wigury. Heute erinnert nur ein Gedenkstein noch an ihn.
Vergessen sind längst die hier einst zur letzten Ruhe Bestatteten; selbst an die Prominenten unter ihnen wie z. B. dem Rabbiner Eliyahu Guttmacher (+1874), einst ein Pionier der Idee der jüdischen Kolonisierung Palästinas oder auch Moses Marcus Mosse (+1865), einem Arzt, der sich im März/April 1848 öffentlich und uneingeschränkt mit den Zielen der polnischen Nationalbewegung identifiziert hatte und dessen Söhne in späteren Jahren soziale Einrichtungen in der Stadt etablierten, sind dem Vergessen anheimgefallen.
Auf der bis heute einzigen aufgefundenen Abbildung ist zu erkennen, dass das Friedhofsareal zumindest an der Straßenfront von einer Mauer umgeben war; die Begräbnishalle ist als staatliches Gebäude mit zwei Ecktürmen, welche mit Kuppeldächern versehen waren, zu erkennen.
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„Grätz (Prov. Posen), 2 Oktober (1900)
Am 25. September d. J. starb in Berlin der Rentier I. Lamm.
In Grätz geboren, kam derselbe im Jahre 1848 nach Berlin, etablierte ein Manufaktur-Waaren-Geschäft und erwarb sich damit ein größeres Vermögen. Vor zehn Jahren (um 1890) baute er auf dem jüdischen Friedhofe zu Grätz mit einem Kostenaufwande von 15.000 Mark eine Leichenhalle, die so schön und praktisch ausgestattet ist, daß die Zeichnung derselben von vielen großen Gemeinden als Muster benutzt wurde.
Außerdem errichtete der Verstorbene eine mit einem Kapital von 20.000 Mark dotierte „Lamm’sche Stiftung“ mit der Maßgabe, daß die Zinsen dieser Summe zur Unterhaltung einer Religionsschule und zu sonstigen gemeinnützigen Zwecken dienen sollen.
Friede seiner Asche !“
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Im Berliner Tageblatt vom 26. September 1900 erschien seine Todesanzeige:
Am Montag Abend starb nach schwerem Leiden unser lieber Vater, Grossvater, Urgrossvater, Schwiegervater, Schwager und Onkel, der Rentier
I. Lamm
im 81. Lebensjahre.
Die Hinterbliebenenen
Die Beerdigung findet Donnerstag, den 27. September, 4 Uhr, von der Leichenhalle des jüdischen Friedhofes in Weissensee statt.
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Beim Standesamt Charlottenburg wurde unter der Eintragung vom 25ten September 1900 durch den Rentier Richard Lamm, wohnhaft Flemming Straße 10, Berlin angezeigt, daß der Rentier
Itzig Lamm,
80 Jahre alt, mosaischer Religion, wohnhaft Charlottenburg, Kurfürsten Allee 38, geboren zu Grätz, verheiratet gewesen mit der Amalie geborene Bruck, Sohn des Rentier Ruben Lamm und seiner Ehefrau, deren Ruf- und Geburtsname nicht mehr bekannt gewesen war, welche zuletzt in Grätz wohnhaft gewesen und schon verstorben waren, am vierundzwanzigsten September 1900 nachmittags um sechs drei viertel Uhr verstorben sei.
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Itzig Lamm
geboren ca. 1820 in Grätz lt. Toteneintrag, verstorben am 24. September 1900 in Charlottenburg.
Er war mit Amalie Bruck verehelicht.
Als Kinder des Paares gelten:
- Caroline geb. 1846, später verehelichte Gordan und Werner,
- Richard geb. 1853,
- Dora geb. 1856, später verehelichte Guttmann,
- Gustav geb. 1859, er und sein älterer Bruder Richard führten ab ca. 1883 das Unternehmen Gebrüder Lamm, eingetragen als Manufaktur- und Modewaren Fabrik fertiger Wäsche, in Berlin, und der 1960 geborene Siegfried
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