Jablonne – in Posen (1860)

Darstellung in der Einleitung der Veröffentlichung

(Grundsteinlegung zur Kirche am 21. Juni 1850. Einweihung der Kirche am 15. Oktober 1852)

Der Artikel ist entnommen der Veröffentlichung: „Die Bauten des Gustav Adolf Vereins in Bild und Geschichte“ – Ein Beitrag zur Geschichte der evangelischen Brüder in der Zerstreuung. Herausgegeben von Dr. Karl Zimmermann – Prälat in Darmstadt / Karl Zimmermann – Pfarrer zu Jugenheim a. d. Bergstraße

Veröffentlicht 1860

Über die großen, schreienden Notstände der Evangelischen in der Provinz Posen hat auf der Breslauer Versammlung des Gustav-Adolf-Vereins der selige Regierungsrath Dr. Klee so ergreifende Mitteilungen gemacht, und der Posensche Hauptverein hat diese Schilderungen von Zeit zu Zeit so laut und eindringlich wiederholt, dass sich in den letzteren Jahren zumal das Auge des Vereins unausgesetzt auf die Notstände gerichtet hat. Es gibt nun in Posen evangelische Gemeinden, die noch aus der polnischen Zeit herstammen, aber größer ist die Zahl derjenigen, die sich in den preußischen Zeit gebildet haben, und noch andere sind zuerst in neuerer Zeit ins Leben getreten. Unter die letzeren gehört auch die Gemeinde Jablonne.

Das Kirchspiel, zu welchem Jablonne früher gehörte, war Rackwitz, beinahe zwei Meilen von Jablonne entfernt. Diese weite Entfernung rief den Wunsch hervor, von Rackwitz getrennt zu werden und ein besonderes Kirchspiel zu bilden. Im Februar 1848 wurde dieser Wunsch erfüllt. Es gehören zu dem Kirchspiele die Orte Wioskadorf, Mielecinek (ein Vorwerk), Jablonne, Blenke und Wioska-Hauland. In den drei erstgenannten Orten ist die Bevölkerung der Konfession nach gemischt, auf Mielecinek, welches vor einigen Jahren wieder in katholische Hände gekommen ist, gegenwärtig fast ganz katholisch, in Jablonne vorwiegend evangelisch, in Blenke und Wioska-Hauland leben fast nur Evangelische. Das Kirchspiel zählt 1.567 evangelische Bewohner.

Zwar wohnt die Gutsherrschaft in Wioskadorf. Jablonne aber ist der bedeutendste Ort und liegt im Mittelpunkte des Kirchspiels, darum hat das Kirchspiel den Namen Jablonne erhalten, und die Kirche steht in diesem Orte. Es geschah dies auch auf Wunsch des damaligen Gutsherrn, des nun verstorbenen königl. Kammerherrn Baron von Gerßdorf. Nachdem in den Jahren von 1845 bis 1847 die Verhandlungen mit den Behörden stattgefunden hatten, trat im Februar 1848 der ernannte Pastor sein Amt an. Anfangs wurden die Gottesdienst in den Schulstuben der einzelnen Orte des Kirchspiels abwechselnd gehalten, mit Ausnahme von Wioskadorf, wo damals die Schule noch fehlte. Der Pfarrer war in einer engen, dumpfigen und baufälligen Bauernhütte untergebracht. Die Freude darüber, dass man nun das Wort Gottes so nahe hatte, weckte unter den Bewohnern des Kirchspiels eine große Bereitwilligkeit zu Opfern, und man durfte mit gegründeter Hoffnung in die Zukunft blicken.

Da brach der Sturm des Jahres 1848 herein und drohte die junge Pflanze in dem Kirchspiele Jablonne zu vernichten. Eins aber war erfreulich und brachte bald die erschreckten Gemüter wieder zu Besonnenheit. Der Pfarrhausbau war begonnen, ehe jener Sturm kam. Der Gutsherr hatte dazu den Bauplatz, 200 Thlr. an Geld und Baumaterialien aus seinem Forst und seiner Ziegelei bewilligt, und schon am 1. November 1848 konnte der Pfarrer einziehen. Doch die Opferbereitwilligkeit erhielt besonders in dem armen Wioskadorf einen empfindlichen Stoß. Man glaubte dort gegen die übrigen Orte beeinträchtigt zu sein. Zwar wiesen die Behörden diese Klage als unbegründet zurück. Allein es gelang einigen von dem ungläubigen Zeitgeiste angesteckten Wortführern, einen Teil der Evangelischen in Wioskadorf zum Abfall von der evangelischen Kirche zu verführen.

Kirche Jablonne

Johann Czerski aus Schneidemühl, der schon 1847 den dem benachbarten Dorfe Tuchorze eine Gemeinde gebildet hatte, kam nach Wioskadorf und setzte dort einen gewissen Binder als christkatholischen Prediger ein. Nun galt es Hilfe (zu bekommen). Regierungsrath Dr. Klee erbat dieselbe auf der Breslauer Versammlung im September 1849 mit so beredten Worten, dass der Zentralvorstand um Weihnachten desselben Jahres ein Christgeschenk von 1.000 Thlrn. nach Jablonne sandte. Dieser Gabe, in so bedenklicher Zeit gereicht, verdankt das Kirchspiel Jablonne unstreitig seine Erhaltung und seinen weiteren Fortgang. Aber auch die Regierung nahm sich der jungen Pflanze an. Eine Kirchen- und Hauskollekte wurde bewilligt, welche 2.162 Thlr. 28 Sgr. Ertrugen, und der König sandte ein Gnadengeschenk von 300 Thlrn. Durch ein fliegendes Blatt richtete der Zentralvorstand im Jahre 1850 (vgl. Bote 1850, Nr. 3) den Blick auf Jablonne. Da flossen wieder von den Hauptvereinen Berlin und Stettin und den Zweigvereinen Gumbinnen, Küstrin und Züllichau zusammen 646 Thlr. dem Kirchspiele zu. Sämtliche Gaben wurden zum Kirchbau in Jablonne verwendet. Am 21. Juni 1850 wurde dazu der Grundstein in sehr feierlicher Weise und in Gegenwart einer großen Menge von Teilnehmern aus nah und fern gelegt (vergl. Darmstädter Bote 1850, Nr. 9). Am 15 Oktober 1852 bereits konnte durch den Superintendenten Gerlach die Kirche eingeweiht werden, worauf der noch jetzt in der Gemeinde wirkende Pfarrer Birkholz die Predigt hielt (vergl. Darmstädter Bote 1853, Nr. 1).

Schon im November 1848 hatte die Gemeinde eine Glocke angeschafft und in einem besonderen Glockenstuhle, dann später in dem Turm aufhängen lassen. So konnte die Gemeinde mit ihren Gästen schon am 21. Juni 1850 zu der Feier durch Glockenruf geladen werden. Für die Orgel lastet aber auf der Gemeinde noch eine Schuld von 700 Thlrn.

Der Christkatholizismus in Wioskadorf erstarb sehr bald, da der Prediger Binder, steckbrieflich von der österreichischen Regierung verfolgt, gezwungen wurde, das Kirchspiel zu verlassen.

Schule Jablonne

Die drei Orte Jablonne, Blenke und Wioska-Hauland besaßen schon früher Schulen. Die Ansicht der Schule in Jablonne steht hier:

Nur in Wioskadorf fehlte noch eine Schule. Der Pastor Birkholz erkannte aber gerade wegen der christkatholischen Bewegung in diesem Orte die Notwendigkeit der Gründung einer Schule daselbst. Er nahm daher den schon früher gemachten Versuch wieder auf. Der Staat schoss jährlich 70 Thlr. zu, und so konnte am 16. Januar 1855 die Schule in Wioskadorf, zu dem auch die evangelischen Kinder des Vorwerks Mielecinek gehören, eröffnet werden. Die heilsamen Früchte dieser Anstalt traten unter der Wirksamkeit eines treuen Lehrers von Tag zu Tag mehr hervor. In Jablonne befinden sich 120, in Blenke 63, in Wioska-Hauland 98 und in Wioskadorf 44 schulpflichtige Kinder.

Möchte die evangelische Pflanzung in dem Kirchspiele Jablonne auch ferner der Pflege der Glaubensbrüder empfohlen sein. Es gilt in jener Gegend auch die Pflege deutscher Kultur und Gesittung.