Zum Drittenmal war für Montag, den 26. September 2011 um 16:00h zu einer symbolischen Gedenkfeier der Einweihung von Gedächtniskreuzen eingeladen worden. Diesesmal wurde die Zeremonie auf dem ehemaligen evangelischen Friedhof der Gemeinde Bukowiec / Bukowitz vorgenommen.
Die diesjährige Veranstaltung schließt sich an die erstmals im Jahr 2009 auf den Friedhöfen von Paproc / Paprotsch, Sekowo / Friedenwalde oder auch Zinskowo, Przyłęk / Scherlanke, Glinno / Glinau [Bericht von 2009] und der dann im Folgejahr 2010 stattgefundenen Kreuzerrichtungen auf den Arealen von Lipka Mała / Klein Lipke, Kozie Laski / Kozielaski oder auch Koseloske, Stary Tomyśl / Alttomischel, Grubsko / Grubske [Bericht von 2010] an.
Dank der finanziellen Unterstützung des Stadtamtes von Nowy Tomyśl ist es auch in diesem Jahr wieder gelungen weiterer ehemaliger Friedhöfe mit der Errichtung von Kreuzen zu gedenken. Bedacht wurden Nowa Róża / Neurose, Cicha Góra / Chichagora oder auch Ziegenkrug, Chojniki / Kunik – und letztlich Bukowiec / Bukowitz.

Vikar Wojciech Płoszka von der augsburgisch-evangelischen Gemeinde zu Posen liest das Wort Gottes vor

Für Verstorbene beten Pfarrer Marek Celka von der Pfarrgemeinde „Der Heiligen Martin“ zu Bukowiec, Vikar Wojciech Płoszka von der augsburgisch-evangelischen Gemeinde zu Posen, Pfarrer Tomasz Sobolewski von der Pfarrgemeinde „Der heiligsten Herzen des Jesu“ zu Nowy Tomyśl, Pfarrer Władysław Kasprzak u. Probst Wojciech Pieczyńskivon der Pfarrgemeinde „Allerseligsten Jungfrau Maria von der Immerwährenden Hilfe“ zu Nowy Tomyśl, Probst Paweł Szułcik von der Pfarrgemeinde „Heiliger Andreas Bobola“ zu Sątop
An dem ökumenischen Gebet haben teilgenommen: der Vikar Wojciech Płoszka von der augsburgisch-evangelischen Parochie zu Poznan/Posen, Pfarrer Tomasz Sobolewski von der Pfarrgemeinde „Der heiligsten Herzen des Jesu“ zu Nowy Tomyśl, Pfarrer Władysław Kasprzak und Vikar Wojciech Pieczyński von der Pfarrgemeinde „Allerseligsten Jungfrau Maria von der Immerwährenden Hilfe“ zu Nowy Tomyśl, Probst Paweł Szułcik von der Pfarrgemeinde „Heiliger Andreas Bobola“ zu Sątopy, der Bürgermeister der Stadt Nowy Tomyśl Herr Henryk Helwing, der Vorsitzende des Stadtrats der Stadt Nowy Tomysl Herr Tomasz Wlekły, Herr Zygmunt Duda aus Opalenica, er gab seinerzeit den Anstoß des Gedenkens der ehemaligen evangelischen Friedhöfe des Kreises von Nowy Tomyśl und weitere Ratsherren, Dorfvorsteher und Bewohner von Bukowiec / Bukowitz.
Die diesjährigen Einleitungsworte sprach Herr Ryszard Ratajczak, verantwortlicher Mitarbeiter der Entwicklungs- und Promotionsabteilung der Stadt Nowy Tomyśl.
Es schloss sich die Rede des Bürgermeisters der Stadt Nowy Tomyśl Herrn Henryk Helwing an. Er erinnerte an die Anfänge der Aktion zur Würdigung des Andenkens in unserer Gemeinde.
“Wir treffen uns hier nun zum dritten Mal um symbolisch ein Gedenkkreuz einzuweihen. Dieses soll nicht nur diesen Platz weihen, sondern stellvertretend auch alle anderen Friedhöfe, derer wir mit unseren Gedanken und Gebeten erinnern. Dem Gedanken folgend, dass diejenigen, die vor uns auf dieser Erde gegangen sind, die in dieser Erde geruht haben und die nun aus dem Himmel auf uns herabsehen, hoffen wir, dass sie sich darüber freuen, dass wir hier heute, wenn auch in einem etwas anderen Sinn, ihrer und ihren Nachkommen, die bis zum heutigen Tage unsere Nachbarn sind, gedenken.”
Er beendete seine Rede in dem er sich für rege Teilnahme an der Feier bei allen Gästen bedankte und betonte nochmals, dass Initiativen wie diese unsere Umwelt bereichern.
Nach den Worten des Bürgermeisters, betete der Vikar Wojciech Płoszka mit den Worten des Apostels Paulus an die Hebräer (13:07): (http://www.bibel-online.net/text/luther_1912/hebraeer/13/)
Gedenkt an Eure Lehrer, die Euch das Wort Gottes gesagt haben;
ihr Ende schaut an und folgt ihrem Glauben nach
Sein Gebet galt der Erinnerung der Protestanten, die auf den Friedhöfen von Bukowiec / Bukowitz und auch in Nowa Roza / Neurose, Cicha Gora / Chichagora und Chojniki / Kunik zu ihrer letzten Ruhe begraben worden sind. Dann weihte er das Gedenkkreuz mit Gottes Wort und Gebet wie es Paul einst geboten hat.
Er las die Worte der Schrift aus dem Brief des Paul an die Philipper 2:1-13 [http://www.bibel-online.net/text/luther_1912/philipper/2/#1], und zitierte die Worte von Jesus aus dem Evangelium. Johannes 11:17-27 [http://www.bibel-online.net/text/luther_1912/johannes/11/#11,17]
„Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe;
und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben“
Er schloss seine Gebete mit den Worten:
Mache, dass dieses Kreuz dazu beigetragen wird, die besten Tugenden, die hier erwähnt wurden, nachzumachen. Hilf uns derer zu gedenken, die im Glauben an Dich aus dieser Weltlichkeit geschieden sind. Hilf uns, dass auch wir Deine treuen Zeugen in dieser Welt sind und sein werden. Gebe uns den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus.
Gemeinsam wurde dann von allen Anwesenden ein “Paternoster” gebetet.
Probst Marek Celka aus Bukowiec trug dann sein Gebet vor und stimmte ein Lied, gewidmet den Verstorbenen, an.

Ein Blumengesteck legten Herr Tomasz Wlekły – Vorsitzender des Stadtrats und Herr Henryk Helwing – Bürgermeister, beide aus Nowy Tomyśl nieder.
Ein Blumengesteck unter dem am Sockel des Kreuzes befindlichen Bibelspruch legten Herr Tomasz Wlekły – Vorsitzender des Stadtrats und Herr Henryk Helwing – Bürgermeister, beide aus Nowy Tomysl und eine Delegation der Bukowiecer Schule mit dem Direktor Władyslaw Ceglecki nieder.
Es folgte die Rede des Herrn Przemek Mierzejewski – Initiators der Initiative – des Gedenkens an die ehemaligen evangelischen Friedhöfe unseres Kreises:
“Wir stehen an dem ehemaligen evangelischen Friedhof des Dorfes Bukowiec. Der Stolz des Dorfes ist eine wunderschöne Holzkirche, welche im Jahr 1742 von Karol Opaliński gestiftet worden war. Bukowiec wechselte seinen Besitzer, als der ehemalige Eigentümer Wojciech Opaliński im Jahr 1775 kinderlos verstarb. Nach einer über 50 Jahre dauernden Erbauseinandersetzung mit zahlreichen Begünstigten Verwandten des Verstorbenen, gingen aus zahlreichen Einzelankäufen und einem letztlich im Jahr 1825 gefällten Richterspruch, dass alle Ankäufe korrekt abgewickelt worden seien, die meisten Immobilien in die Hände des Friedrich Franz Beyme aus Hamburg.
Bukowiec ist aber auch ein Dorf mit einer einzigartigen Geschichte welche von Patriotismus und der Legende des Großpolnischen Aufstandes 1918/19 tief durchdrungen ist.
Ich freue mich, dass wir mit diesem Gedenkkreuz ein kleines Stück zur Geschichte dieses Dorfes zugegeben haben.
Weiter erinnerte Herr Mierzejewski mit folgenden Worten an die Hauländerkolonisation:
Im 17. Jahrhundert, nach dem polnisch-schwedischen Krieg setzte in Polen eine Zeit der Stagnation ein. Durch die erlittenen Zerstörungen der kriegerischen Auseinandersetzungen und Seuchen wie z. B. der Pest, die ganze Landstriche entvölkerte war es auch zur wirtschaftlichen Stagnation gekommen. “Der Adel” unseres Landes, unter ihnen die Familie Uhnrug und später die Szołdrski, Garczyński, Mielęcki oder Opalenicki beschlossen, auf ihrem zu jener Zeit ungenutzem Land Kolonisten anzusiedeln; sie sollten das Land urbar machen und durch diese Maßnahme sollten die Umsätze und Einkünfte der Adelsfamilien wieder steigen. Die Siedler waren Angehörige des evangelischen Glaubens und kamen überwiegend aus dem deutschsprachigem Raum; sie galten als Flüchtlinge vor der Aushebung der brandenburgischen Armee oder auch als ehemalige Fronbauern aus dem nahe gelegenen Schlesien, die heutige Lubuskie Woyewodschaft. Diesen “Hauländern“ , wie man sie dann nannte, fiel die Rolle der Gestaltung unserer Landschaft zu.
Ich sage auch heute wieder, wie ich es ja auch schon mehrfach betonte, dass gerade die Gemeinde von Nowy Tomysl / Neutomischel von diesen “Hauländern” mit der Anlage Ihrer “Hauländereien” geprägt wurde. Innerhalb der Grenzen unserer Gemeinde war versucht worden 3 Städte für die Hauländer zu gründen Boruja Kościelna / Kirchplatz Borui (Mielęcki), Nowy Tomyśl / Neutomischel (Szołdrski) und Jastrzębsko Stare / Friedenhorst (Garczyński). Dieser Schluss lässt sich durch die Positionierung der Kirchen und der wirtschaftlichen Entwicklung der Gegend ziehen. Jedoch ist es nur Nowy Tomyśl / Neutomischel gelungen, sich zu voller Größe einer Stadt zu erheben, dieses dank des Privilegs, das der Stadt durch den polnischen König Stanislaus Augustus im Jahre 1786, er war die damalige Verwaltungsbehörde; verliehen wurde.
Seit ihren Anfängen hatte die Stadt Nowy Tomysl / Neutomischel einen ökumenischen Charakter: ein katholischer Pole stiftete für „dissidentische Hauländer“ eine evangelische Kirche, und diese Stiftung gründete letztlich die Anfänge der heutigen Stadt Nowy Tomyś.
Die Nachkommen der Hauländer flohen zum Ende des II. Weltkrieges vor der Roten Armee Richtung Westen, und die, die hatten bleiben wollen wurden gezwungen, die Gegend nach dem Jahr 1945 zu verlassen. Über die Jahre, die sich diesen Ereignissen anschlossen, wurden die Friedhöfe dieser ehemaligen Bewohner vergessen. Das Leid des II. Weltkrieges löschte auch die Erinnerungen an die Menschen, die unsere Landschaft mit ihren Wegen, die unsere Dörfer und letztlich sogar unsere Stadt gestaltet haben, aus.
Heute ist aus Erzählungen und Erinnerungen unserer älteren Bewohner zu erfahren, dass Polen und Deutschen zwar miteinander lebten, es aber doch keine große Gemeinschaft gegeben habe. Heute würde man sagen, dass sie nicht ohne einander leben konnten, aber miteinander auch nicht. Nur wenige überschritten diese unsichtbaren Grenzen und machten auch in jenen Jahren keinen Unterschied von Mensch zu Mensch.
Erst wenn es uns mit unserer heutigen Sicht des vereinten Europas gelingt, die aus den unterschiedlichsten Anschauungen und auf unterschiedlichste Weise erzählten Geschichten zu Einer zusammenzufügen, werden wir die ganze Vergangenheit unserer Region darstellen können.
Ich hoffe, dass die Gedenkkreuze auf den ehemaligen Friedhöfen, die wir nun schon im 3ten Jahr aufstellen, neben der Erinnerung der hier Bestatteten uns auch den Geschichtsreichtum unserer Gemeinde erinnern werden und dass sie eine Brücke zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft sein werden. Wenn jemand von Hauländern und Hauländereien spricht, so sollte dieses unweigerlich und untrennbar mit Nowy Tomyśl / Neutomischel verbunden sein.
Herr Zygmunt Duda begann seine anschließende Rede mit den Worten: Lob und Dank für diejenigen, die die Vergangenheit näher an der Gegenwart heranbringen.
Er erzählte von seinen Erfahrungen in Bezug auf die evangelischen Friedhöfen in der Gemeinde Opalenica. Ein Aspekt der Friedhofsareale war, dass die Kreuze mit dem Abbild des Jesus Christus vornehmlich in deren Mitte aufgestellt worden waren. Sie waren meist aus Holz gefertigt, sodass sie die vielen Jahre in unsere heutige Zeit nicht überlebt haben, da sie keine Erneuerung erfuhren. Den Rest eines solches Holzkreuzes, so erinnerte er sich, fand er z. B. vor annähernd 2 Jahren in Sworzyce. Es lag an der Erde, war zwar noch erkennbar, aber auch schon wieder von der Natur überwachsen. In Łęczyce / Lenker Hauland, ehemals zur Gemeinde Opalenica gehörend, fand sich ein umgestürztes aus Beton gefertigtes Kreuz unter der Erde verborgen. Auf der Rückseite war das Jahr 1902 eingeritzt. Es hatte also vom Krieg gebrochen und zerstört die Zeit bis zu seiner Wiederauffindung überlebt. Heute haben wir es wieder an seinem ursprünglichen Platz aufgestellt.
Herr Duda erinnerte auch daran, dass es in unserer Gemeinde noch weitere Friedhöfe gegeben hatte. Z. B. den von Sątopy / Sontop, oder den von Jastrzębsko Stare / Friedenhorst und auch den in Boruja Kościelna / Kirchplatz Borui. Viele Bewohner der Dörfer haben keine Erinnerung mehr, dass die heutigen katholischen Friedhöfe auf den Fundamenten und den Gräbern der ehemaligen evangelischen Bewohner dieser Gemeinden eingerichtet wurden. Und kaum jemand fragt, wo stand hier wohl einmal das erste Kreuz ?
Seine Rede endete mit den Worten: Es ist gut, dass nach so vielen Jahren die Erinnerungen an die Vergangenheit zurückkommen.
Am Ende des offiziellen Teils erinnerte Probst Marek Celka daran, dass Bukowiec in der Kąkolewska Straße einen weiteren vergessenen Friedhof hat. Es ist ein katholischer Friedhof. Auf ihm wurden vornehmlich die Pfarrer von Bukowiec begraben; er bat um Unterstützung in der Arbeit auch dort einen Platz der Erinnerung einzurichten. http://www.oledrynowotomyskie.e7.pl/cmentarze/galeria.php?katalog=1409
Die Organisatoren luden die Gäste am Ende der Zeremonie zu einer kleiner Erfrischung ein. Bürgermeister Henry Helwing bedankte sich für die Schaffung der richtigen Atmosphäre dieses Treffens, welches über Grenzen die Menschen vereint. Er betonte, dass es die natürlichste Sache ist, dass wir uns von Land zu Land unterscheiden, aber es sei die Wichtigste , das wir trotz aller dieser Unterschiede freundlich, tolerant und menschlich miteinander umgehen. Er dankte nochmals Allen für die Teilnahme an dieser Gedenkfeier.