Mord in Wengielno – 1903

Gasthof Sägner in Wengielno - Quelle: Bild: Postkartenausschnitt, Karte: http://mapy.amzp.pl/tk25.cgi?23,48,60,80

Gasthof Sägner in Wengielno – Quelle: Bild: Postkartenausschnitt, Karte: http://mapy.amzp.pl/tk25.cgi?23,48,60,80

Wengielno, in einigen Aufzeichnungen auch Wegielno und Wengellen, heißt heute Węgielnia. Früher wie heute war und ist es ein Dorf welches von Wäldern umgeben ist.

Die Einwohnerzahl betrug um 1900 knapp 300 und verteilte sich auf 43 Anwesen.

Und doch, auch in einem solchen kleinen Ort geschah das Verbrechen eines Mordes.

Im Kreisblatt Neutomischel findet sich unter dem 29.12.1903 die kurze Mitteilung, dass: „Der Eigentümer Menke aus Wengielno, welcher im Verdacht stand, den Eigentümer Sperling daselbst ermordet zu haben und dieserhalb in Haft genommen worden war, vor einigen Tagen wieder aus dem Gefängnis entlassen worden ist.“

Beim Zurückblättern in den Zeitungen finden sich hinsichtlich der Tat und der Tathergänge nachfolgende Berichterstattungen, welche schildern, wie der Eigentümer Menke unter Verdacht geriet die Tat begangen zu haben:


Ausgabe vom 1903-11-03

Am vergangenen Sonnabend (31.10.1903) um 8 1/2 Uhr abends wurde der Eigentümer Sperling aus Wengielno, der sich im Sägner’schen Gasthause daselbst aufhielt, erschossen.

Der Schuß ist durch eines der an der Straße nach Grudno belegenen Fenster erfolgt.

Sperling sank sofort tot von der Bank.

Die Frau des Gastwirts eilte auf die Straße, fand aber von dem Täter, welcher sich wahrscheinlich in die Schonung jenseits des Weges geflüchtet hatte, keine Spur. Auf telephonische Nachricht begab sich Sonntag früh Herr Gendarm Schütz an Ort und Stelle, um den Täter zu ermitteln. Seine Bemühungen sind nicht ohne Erfolg geblieben, indem als mutmaßlicher Mörder der Eigentümer Gustav Menge aus Wengielno ermittelt und bereits verhaftet worden ist.

Der Verdacht lenkt sich auf Genannten, da dieser mit dem Ermordeten schon längere Zeit in arger Feindschaft lebte und beide jahrelang Prozesse führten. Bei dem Verhafteten wurde eine frisch abgeschossene Schußwaffe, sowie Patronen vorgefunden und beschlagnahmt. Die Papierfetzen, welche bei der Leiche gefunden wurden, sind von demselben Zeitungspapiere, wie die Papierpfropfen der in dem Hause des angeblichen Mörders beschlagnahmten und von ihm selbst gefertigten Patronen.

Am gestrigen Montag vormittag waren die Vertreter der Staatsanwaltschaft aus Meseritz sowie Sachverständige an dem Tatorte anwesend, um das Protokoll über den traurigen Vorfall aufzunehmen. Der Verhaftete wurde gestern abend hierher transportiert und wird heute nach Meseritz in die Untersuchungshaft überführt werden.“

Ausgabe vom 1903-11-06

„Ueber den Mord in Wengielno erhalten wir noch von amtlicher Seite folgende nähere Mitteilungen: Am letzten Sonnabend, den 31. Oktober, abends kurz vor 8 1/2 Uhr ist im Sägner’schen Gasthause in Wengielno der Eigentümer Friedrich Sperling erschossen worden.

Nachdem bereits am Sonntag der zuständige Distriktskommissar Ermittellungen angestellt und einen Verdächtigen festgenommen hatte, erschien am Montag, den 2. November, Untersuchungsrichter und Staatsanwalt aus Meseritz am Tatorte. Unter Zuziehung des Königl. Oberförsters aus Buchwerder wurde festgestellt, daß der Täter, wahrscheinlich dicht am Zaun vor dem Gasthause stehend und die Flinte auf den Zaun auf- oder an einen vor dem Hause stehenden Baum anlegend, in schräger Richtung in die Gaststube hineingeschossen und den Sperling, der dicht am Fester mit dem Rücken nach diesem zu auf einer Bank gesessen, unterhalb des linken Ohres in den Hals getroffen hat. Sperling war sofort tot.

Wie die weiter unter Zuziehung der Kreisärzte aus Neutomischel und Grätz ausgeführte Leichenöffnung ergab, ist dem Sperling durch einen Schrotschuß die linke untere Gesichtshälfte zermalmt worden.

Die Verhandlungsergebnisse führten zur Verhaftung des Eigentümers Gustav Menke aus Wengielno. Die Ermittelungen bleiben jedoch eifrigst fortzusetzen; denn, da der Erschossene, der ein Trinker und mehrfach in Prozesse verwickelt war, viele Feinde hatte, muß es als nicht ausgeschlossen angesehen werden, daß eine andere Person, als der Verhaftete der Mörder ist. Auf die Straftat bezügliche und für die Ermittelung des wahren Thäters wesentliche Nachrichten sind dem Untersuchungsrichter beim Kgl. Landgericht in Meseritz erwünscht.

Ferner erfahren wir noch, daß der Mörder den verhängnisvollen Schuß in einer Entfernung von etwa 50 Centimtr. abgegeben haben muß, da die Fensterscheiben dicht mit Pulverschleim besetzt waren. Fenstervorhänge waren an den Fenstern nicht vorhanden. Die ganze Schrottladung ging dem Sperling dicht unter dem linken Ohr in den Hals mit solcher Heftigkeit, daß dem Getroffenen die ganze Mundhöhle zerrissen, viele Zähne herausgeschleudert und noch durch einige Prellkörner die auf dem Tisch stehende Schnapsflasche zersplittert wurde. Der Gastwirt Sägner saß dem Ermordeten gegenüber, jedoch etwas in schräger Richtung und wurde deswegen nicht verletzt. Sperling fiel von der Bank, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben; das Blut spritzte ihm in einem Bogen vom Munde heraus.

Der als mutmaßlicher Täter verhaftete Menke wurde nach Meseritz in Untersuchungshaft überführt. Auf seinem Wagen in seiner Wagenremise wurde ein frisch abgeschossenes Gewehr vorgefunden, welches an dem Schließer frisches Baummoos aufwies, das wahrscheinlich von dem Anlegen der Schußwaffe an einen Baum herrührt. Ferner lag auf demselben Wagen eine durchnäßte Jacke, in deren Taschen noch gefüllte Patronen waren. (An dem betreffenden Abend hat es tüchtig geregnet.) Der Ermordete war ein Mann in den 50er Jahren und hinterläßt eine Frau und vier Kinder.“

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Quelle: Kreisblatt Neutomischel 1903-12-29/1903-11-03/1903-11-06 – Wielkopolska Biblioteka Cyfrowa – http://www.wbc.poznan.pl/dlibra