Richard Heinrich Günther – geb. 1847 in Unruhstadt – gestorben 1874 in Copenhagen

Der Friedhof Assistens Kirkegård in Copenhagen – Wikimedia Commons – Dieses Werk wurde von seinem Urheber Thue als gemeinfrei veröffentlicht

„Kopenhagen, 12 April 1874

Ein junger Bauführer, Richard Günther aus Unruhstadt (Karge) in der Provinz Posen, der als Reserve-Leutnant im brandenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 12 den Krieg gegen Frankreich mitgemacht und bei Spicheren einen Schuß durch den rechten Arm bekommen hatte, so daß ihm dieser steif geblieben war, machte zum Osterfeste von Hannover aus, wo er in königlichem Dienste stand, einen Ferien-Ausflug hierher.

Am Charfreitage, den 3. April, Abends hier angekommen, befand er sich am Samstag Abend auf dem Spaziergange an der „Langen Linie“, als der Ruf erscholl, es sey ein Kind in den Stadtgraben gefallen. Ohne daran zu denken, daß er zu den Schwimmbewegungen nur den linken Arm verwenden konnte, stürzte sich der junge Mann ins Wasser, ergriff den bereits untergesunkenen Knaben und brachte ihn in die Nähe des Ufers, wo weitere hilfreiche Hände ihn erwarteten, sank aber selber plötzlich, in Folge der erfolgten Abkühlung vom Lungenschlage getroffen, in die Fluth zurück.

Der Knabe war gerettet, der hochherzige Retter aber verloren.

Das erregte allseitige Theilnahme in der hiesigen Bevölkerung, und überall war man einig in dem Gedanken, daß dem deutschen Offizier, der ein dänisches Kind gerettet, ein Ehrenbegräbnis bereitet werde, das dem allgemeinen Gefühl für seine That entspreche.

Am Sonntag, den 12. April fand das Leichenbegräbnis statt. Die Betheiligung der Bevölkerung an der Feierlichkeit war ganz außerordentlich. Der Sarg war mit Lorbeerkränzen bedeckt und mit dem eisernen Kreuze, das der Verstorbene sich bei Spicheren erworben, geschmückt.

Im Auftrage des Königs fügte der Polizei-Direkt, Etatsrath Crone, die „Medaille für edle That“ hinzu. Als nächster Anverwandter war der Bruder, der Mühlenbesitzer Oswald Günther aus Unruhstadt, herbeigeeilt; die Eltern, die Schwester und der 90jährige Großvater hatten daheim bleiben müssen.

Der König Christian war durch seinen Adjutanten, der Gesandte des deutschen Reichs, v. Heydebrand und der Lasa, der deutsche Generalkonsul Quehl, der Kommandant von Kopenhagen, Oberst Wolle, der Oberpräsident Kammerherr Rösenörn, der Bürgermeister Hansen, der Vorsteher der Bürgervertretung, der Höchstengerichts-Advokat Henrichsen, der Polizei-Direktor, viele Offiziere, Ingenieure und Mitglieder der Freimaurerloge, sowie eine unabsehbare Menge von Bürgern dänischer und deutscher Nationalität.

Die deutsche Liedertafel mit umflorter Fahne sang den Trauerpsalm, drei Musikkorps führten den Todtenmarsch aus.

Pastor Schmaltz von der Petrikirche hielt die Grabrede in deutscher und Stiftsprobst Rothe in dänischer Sprache. Edmund Lobedanz widmete dem Verstorbenen einen (in der Berliner Zeitung abgedruckten) poetischen Nachruf, aus dem wir folgende Strophe hervorheben:

Gebt ihm Alle das Geleite,
Dänen, Deutsche, weihevoll,
Und Versöhnung mit Euch schreite,
Bannend allen Haß und Groll.
Aechte Liebe überwindet,
Stürzt die Schranke, füllt die Kluft,
Und ein neues Leben findet
Manches Herz an off’ner Gruft.

Ein Choral schloß die Begräbnißfeier auf dem St. Petri Friedhofe. Danach empfing der König den Bruder des Bestatteten, um demselben seine Theilnahme und durch ihn der Familie sein Beileid zu bekunden.

Es ist bereits eine Zeichnung in Gang gebracht, um die Grabstätte mit einem Denkmal zu schmücken.

Die dänische Hauptstadt hat in dieser sinnigen, schönen Todtenfeier sich und uns das Zeugniß ausgestellt, daß zwischen Dänen und Deutschen kein eingewurzelter Nationalhaß, sondern gegenseitige Achtung alles Aechtmenschlichen besteht.“

Dieser Artikel erschien in Badische Landes Zeitung, I. Blatt – Sonntag, 19.04.1874

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„Dänemark – Kopenhagen, 13 Apr 1874.

Am 3. d. M. (03. Apr 1874) traf hier ein junger 30 jähriger bei der Hannoverschen Eisenbahn angestellter Ingenieur, Herr Richard Günther, ein, um Kopenhagen, dessen Besuch ihm von Freundes Seite warm empfohlen worden war, kennen zu lernen.

Nachdem Herr Günther sich am 4. verschiedene Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt angeschaut, machte er gegen Abend einen Spaziergang längst der „Lanzenlinie“, eine beliebte Promenade am Sunde.

Hier hörte er den Hülferuf eines ins Wasser gefallenen Knaben, stürzte sich in den Sund, um den Knaben zu retten, was ihm auch gelang, jedoch leider mit Aufopferung seines eigenen Lebens. Erhitzt, wie der junge Mann von dem Spaziergange war, wirkte die plötzliche Kälte des Wassers so schädlich auf ihn, daß er, getroffen von einem Lungenschlage, als Leiche nach der Stadt zurückgebracht wurde.

Die edle That des jungen Mannes und die traurigen Folgen derselben waren bald in der ganzen Hauptstadt bekannt, und man kann sagen, daß seit Jahren kein Fall vorgekommen ist, der die Bevölkerung vom Höchsten bis zum Niedrigsten so tief angegriffen hat, als das durch jene edle That herbeigeführte unglückliche Ende des jungen deutschen Gastes. Diese zeigte sich recht deutlich bei der gestern stattgefunden Beerdigung desselben. Die Kapelle, in welcher der Sarg aufgestellt, war aufs Reichste geschmückt, ebenso der Sarg selber, auf welchem der Degen und die Orden und Ehrenzeichen des Verstorbenen, der den deutsch-französischen Feldzug als Artillerie-Offizier mitgebacht hatte, sowie ein großer Lorbeerkranz gelegt waren.

Das Gefolge zählte nach Tausenden und alle Straßen, durch welche sich der Leichenzug bewegte, waren gedrängt voll Menschen. Der König, sowie der Kriegsminister ließen sich bei der Beerdigung durch ihre Adjutanten vertreten; außerdem nahmen an derselben theil der hiesige deutsche Gesandte von Heidebrandt, der deutsche General-Consul Quehl, der Oberpräsident, der Souscommandant und der Polizeidirector von Kopenhagen, fast sämmtliche Beamte und Ingenieure der seeländischen Eisenbahnen und so ziemlich alle hier lebenden Deutschen.

Von den Verwandten befand sich ein Bruder des Verstorbenen, ein Mühlenbesitzer Oswald Günther, im Gefolge. Derselbe wurde nach der Beerdigung vom Könige empfangen, der seiner tiefen Theilnahme an der Trauer der Familie des edlen Verunglückten in waren Worten Ausdruck gab.

Der Polizeidirector legte auf Befehl des Königs die Medaille für edle Thaten auf den Sarg, wobei er bemerkt, daß dieselbe als ein Zeichen der Anerkennung der edlen That seitens des Königs und der gesammten Bevölkerung der Hauptstadt dienen und später der Familie übersandt werden solle. Am Grabe hielt der Prediger der hiesigen deutschen Gemeinde, Herr Schmaltz, eine deutsche, und der Stiftsprobst Rothe eine dänische Rede. Die deutsche Liedertafel trug einige Grablieder vor. In den nächsten Tagen soll eine Subscription in der Hauptstadt zum Zwecke der Errichtung eines Denkmals auf dem Grabe des Verstorbenen eröffnet werden.“

Dieser Artikel erschien in Bonner Zeitung. 1850-1891 – Sonntag, 19.04.1874

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„Das Kopenhagener „Extrabladet“ teilt mit, dass auf dem Assistenzkirchhof zwei deutsche Gräber geschleift werden sollen … in dem anderen Grabe liegt der deutsche Eisenbahningenieur Richard Günther, der am Karfreitag 1874 dabei ums Leben kam, als er an der Langen Linie einen Knaben vor dem Ertrinken rettete … „Ekstrabladet“ bemerkt, dass entweder die deutsche Gesandtschaft oder die deutsche Kolonie etwas tun sollten, um diese beiden Gräber verdienstvoller Landsleute vor der endgültigen Vernichtung zu bewahren… 48 Jahre nach dem Tod Günthers wurde sein Grab abgeräumt und eingeebnet

Diese Mitteilung erschien bei „Der Nordschleswiger“ – Artikel Chronik: Gedenken, Grenzen und ein Besuch bei H. C. Andersen – Jürgen Ostwald – 10. September 2022 Nordschleswig – www.nordschleswiger.dk

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Richard Heinrich Günther – geboren 05. März 1847 in Unruhstadt – gestorben 04. April 1874 in Copenhagen

seine Eltern waren der Windmüller zu Unruhstadt Gustav Robert Günther und dessen Ehefrau Johanna Henriette geborene Michaelis. Der genannte Oswald – Oswald Bernhard Gustav Günther -, Mühlenbesitzer zu Unruhstadt, war sein älterer, im Jahr 1844 geborene Bruder. Weitere Geschwister waren Maria Henriette Alwina *1850, Rosina Dorothea Ottilie *1854, Clementine Auguste Marthe *1856, Anna Elisabeth Hulda *1859 und Johannes Gustav Robert *1862.

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Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt:1) Personenstandsunterlagen  Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/); 2) Personenstandsunterlagen Ancestry.com; 3) Zeitungen deutsche-digitale-bibliothek.de