
Relief über dem Eingang des ehemaligen Amtsgerichtes – Justitia, die Personifikation der Gerechtigkeit; die Waage für die sorgfältige Abwägung der Sachlage, die Augenbinde für die Unparteilichkeit fehlt, das Richtschwert für die Durchsetzung mit der nötigen Härte – Bild: EA
In loser Folge werden wir die im Kreisblatt veröffentlichten Protokolle der Schöffengerichtssitzungen, welche im Gerichtsgebäude zu Neutomischel verhandelt wurden, bringen. Über die Verhandlungen im Einzelnen sind zur Zeit keine Akten in Archiven gefunden worden. Aus den Kurzbeschreibungen der geführten Prozesse und auch der verhängten Urteile, ist zu erkennen, dass neben den Anklagen der Behörden der Stadt, der Gemeinden und des Landes, viele der Streitigkeiten sich mit Familien- und Nachbarschaftangelegenheiten sowie aber auch dem „Gehorsam“ von angestellten Dienstleuten gegenüber Ihren „Dienstherren“ befassten. Klagen wegen Beleidigungen waren zahlreich zu finden und auch vor Denunziationen untereinander scheute man vielfach nicht zurück.
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Den Vorsitz führte Herr Amtsgerichtsrat v. Grabski, als Amtsanwalt fungierte Herr Bürgermeister Witte, die beisitzenden Schöffen waren die Herren Eigentümer und Ortsschulze Gebauer aus Scherlanke und Eigentümer Sägner aus Sempolno.
Verhandelt wurden folgende Fälle:
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Vorladung für den Ersatz-Reservisten Gustav Hermann Jahn zwecks Verhandlung der unerlaubten Auswanderung – (1)
Der militärpflichtige Gustav Jahn, geboren zu Neutomischel, letzter Wohnort Herensen, wurde mit 30 Mark bestraft, weil er sich durch Auswanderung der Heerespflicht entzogen hatte. (laut dem im September veröffentlichten Aufruf mit der Aufforderung, dass der Beklagte sich zur Verhandlung am 16.12.1903 einzufinden hätte, war der Gustav Hermann Jahn allerdings am 28.09.1874 zu Berlin geboren und hatte lediglich seinen Wohnsitz zwischenzeitlich in Neutomischel gehabt)
- Der inhaftierte Wilhelm Plisch wurde wegen Bettelns in Neutomischel mit 4 Wochen Gefängnis, wovon 2 Wochen als durch die Untersuchungshaft verbüßt erachtet wurden, bestraft.
- Der Tischler Karl Nawroth aus Bolewitz erhielt wegen Hausfriedensbruches und Sachbeschädigung 2 Wochen Gefängnis.
- Der Gemeindevorsteher Bielke aus Blake hatte einen Strafbefehl in Höhe von 5 Mk. erhalten, weil er seinen bösartigen Hund frei umherlaufen ließ, sodaß das Tier die Tochter des Eigentümers Muß in Blake gebissen und deren Kleid zerrissen hatte. Der Angeklagte erhob gegen den Strafbefehl Einspruch, mußte aber nach dem Ergebnis der Verhandlung zu der bereits festgesetzten Geldstrafe verurteilt werden.
- Der Arbeiter Vinzent Sokolka aus Witomischel wurde wegen Diebstahls mit 3 Tagen Gefängnis bestraft.
- Der Eigentümer Andreas Starzak und seine Ehefrau Marianna, beide aus Grudno, waren des Arrestbruches angeklagt, mußten aber nach Lage der Sache freigesprochen werden.
- Der Arbeiter Heinrich Schlesinger hatte den Arbeiter Karl Schmidt, beide aus Neuborui, körperlich gemißhandelt. Ersterer wurde mit 2 Wochen Gefängnis bestraft.
- Der Eigentümer Wilhelm Kurz hatte einen Strafbefehl in Höhe von 10 Mk. erhalten, weil er angeblich die Grenze seines Nachbars Freier beim Laubstreuharken überschritten hatte. Durch seinen erhobenen Einspruch erzielte er seine Freisprechung.
- Der Tischlermeister Ludwig Swoboda von hier (Neutomischel) hatte gegen einen Strafbefehl von 2 Mk., den er wegen nicht rechtzeitig erfolgter Beibringung eines Abzugattestes erhalten hatte, Einspruch erhoben. Er wurde mit 1 Mk. bestraft.
- Der Eigentümer und Handelsmann Wilhelm Gutsch aus Cichagora wurde zu einer Geldstrafe von 96 Mk. verurteilt, weil er bei Ausübung seines Gewerbes als Schweinehändler den Gewerbeschein nicht rechtzeitig eingelöst hatte.
- Der Arbeiter Vorwerk aus Altborui, z. Zt. in der Fremde, wurde wegen Verübung groben Unfugs und Sachbeschädigung mit 10 Mark bestraft
- Die Dienstmagd Juliane Lehmann aus Neuborui wurde wegen Diebstahls zu 2 Wochen Gefängnis verurteilt.
- In der Privatklagesache des Eigentümers Wilhelm Ortlieb gegen den Eigentümer Karl Becker, beide aus Scherlanke, wurde letzterer wegen Beleidigung des ersteren mit 20 Mk. bestraft.
- In der Privatklagesache des Arbeiters Stanislaus Lodiga gegen den Arbeiter Anton Pilatschek, beide aus Bolewitz, wurde letzter wegen Beleidigung der Ehefrau des Privatklägers zu einer Geldstrafe von 20 Mk. verurteilt
- Quelle: Großpolnische digitale Bibliothek Poznan (http://www.wbc.poznan.pl/dlibra) – Amtliches Kreis-Blatt für den Kreis Neutomischel 1903/12 No. 101 und (1) 1903/08 No. 76