Schule II in Paprotsch – ca. 1806-1906

Stand hier die Schule II Paprotsch - auch die alte Schule genannt ? / Photo: MM

Stand hier die Schule II Paprotsch – auch die alte Schule genannt ? / Photo: MM

Nachfolgend geben wir die „Uebersicht über das Ergebnis der kreisärztlichen Besichtigung der  Gemeinde Schule II in Paprotsch, Schulgemeinde Paprotsch – Kreis Neutomischel vorgenommen durch Kreisarzt Dr. Buddee am 18. April 1902“ wieder.

Der von uns in der Karte eingezeichnete Standort des Schulhauses basiert lediglich auf unserer Vermutung, Karten mit eingezeichneter genauer Lage oder sogar Bilder dieser „altehrwürdigen“ Schule haben wir nicht gefunden.

Wann dieses Schulgebäude, im Jahr 1906 wurde es auf ein Alter von 100 Jahren geschätzt und noch genutzt, letztlich „verschwand“, abgetragen oder sogar eingestürzt, ist nicht bekannt.

Am Ende des seinerzeit von Dr. Buddee handschriftlich ausgefüllten Fragebogens, findet sich noch eine Erwiderung bzw. eine Rechtfertigung von diesem hinsichtlich der von ihm als Kreisarzt vorgenommenen Einschätzungen. Die erwähnte Verfügung welche hier beantwortet worden zu sein scheint war im Archivmaterial nicht vorhanden.

* * *

 

Lage, Umgebung, Beschaffenheit und Größe des Schulgebäudes:
Befinden sich in der Nähe übelriechende, schädliche Ausdünstungen oder störendes Geräusch?
Die Schule liegt an der Straße von Bentschen nach Sontop, mit der Front nach Süden, ist 15m lang, 9m tief u 3,20m hoch und hat eine freie Lage.
Das Schulgebäude ist ein alter aus Lehm und Holz bestehender Bau dessen Beschaffenheit im ganzen ein recht mangelhafter ist. Dachrinnen sind nicht vorhanden. Das Traufpflaster läßt Feuchtigkeit durch und hat keinen Abfluß. Das Gebäude ist aus Fachwerk, die äußere Holzbekleidung ist an vielen Stellen, besonders an den Giebeln, teils durch Feuchtigkeit, teils durch Ungeziefer zerstört, sodaß durch den Schlagregen vielfach Teile der Lehmwand losgeweicht werden. Das Dach ist ebenfalls undicht.
Uebelriechende, schädliche Ausdünstungen befinden sich nicht in der Nähe.
Konstruktion des Gebäudes:
Massiv oder von Fachwerk, – gesichert gegen durchdringenden Schlagregen und aufsteigende Feuchtigkeit, – Dachrinnen – Traufpflaster – Unterkellerung – Höhe des Fußboden über dem Erdgeschosse – Lehrerwohnung – besonderer Eingang zu dieser
Die Lehrerwohnung, welche an der Westseite des Hauses gelegen ist, ist unterkellert. Die Kellersohle liegt kaum 1 m unter der Erdoberfläche, trotzdem ist es immer naß im Keller. Der Fußboden liegt 0,40 m über dem Erdboden. Die Lehrerwohnung hat vom Hofe aus einen besonderen Eingang durch einen neueren Anbau, welcher massiv ist, aber von aufsteigender Feuchtigkeit sehr zu leiden hat.
Im Uebrigen weißt die Lehrerwohnung schon sehr viele Schäden infolge der Baufälligkeit des ganzen Gebäudes auf.
Schulzimmer: wie viele ?
Länge, Breite, – Höhe, – Raumgehalt, – Anstrich der Wände und Decken – Schließen der Thüren usw nach außen – Zahl und Glasfläche der Fenster, sowie ihre Vertheilung in den Wänden der Schulzimmer und ihre Himmelsrichtung – Schutz gegen Sonnenlicht – Stellung und Beschaffenheit des Ofens – Schutz gegen strahlende Wärme – Temperatur ? Thermometer vorhanden ? – Beschaffenheit der Fußböden, eben, dicht, geölt oder etwa mit Sand bestreut ? Ventilationsvorrichtungen ? – Luftbeschaffenheit ? – Reinlichkeit – durch wen wird die Reinigung der Zimmer ausgeführt – durch Schulkinder ?
Das eine Schulzimmer liegt im östlichen Teil des Gebäudes.
Es hat eine Länge von 8,60 m, Breite 6,40 m, Höhe v. 3,10 m, mithin ein Raumgehalt von 170,62 cbm. Wände u. Decken sind mit grauem Kalk getüncht. Die Thür schließt nach außen. Die 6 Fenster haben eine Glasfläche von 5,47 qm. Sie verteilen sich auf die einzelnen Wände derart, daß 2 Fenster südlich, 2 nördlich u. 2 östlich gelegen sind. Schutz gegen Sonnenlicht ist nicht vorhanden.
Der Kachelofen steht an der Westwand, etwas in der Mitte derselben. Ist von dem nächsten Schulplatz 0,45 m entfernt. Eine Schutzvorrichtung gegen strahlende Wärme existiert nicht.
Das Thermometer zeigt ein Temperatur von 13° R.
Der Fußboden ist sehr schlecht, undicht gefugt, zwischen den Fugen zum Teil ausgefault. Geölt ist er nicht.
Besondere Ventilationsvorrichtungen bestehen nicht. Die Luft im Schulzimmer ist von dumpfer Beschaffenheit.
Die Reinigung des Zimmers wird wöchentlich 2 mal durch eine vom Lehrer angenommene Person ausgeführt.
Einrichtung der Schulzimmer
Zahl und Beschaffenheit der Bänke – Stellung derselben zum Licht und zum Katheder ? – Spucknäpfe ?
Es sind 8 große u 1 kleine Bank vorhanden, von denen die größte eine Tischfläche von 85/82 cm, eine Tischbreite von 0,32m, die Kleinste eine Tischhöhe von 81/79 cm, eine Tischbreite von 27 cm aufweist. Die meisten haben eine Plusdifferenz von 17-18 cm. Besondere Lehnen sind nicht vorhanden. Das Holz ist an vielen Stellen vom Wurmfraß zerstört.
Das Katheder steht an der Südwand, ist von der nächsten Bank nur 0,87 m entfernt. Die von Osten nach Westen stehenden Bänke erhalten Licht von links, von hinten u. von vorn.
Im Zimmer befinden sich an der Thür 2 Spucknäpfe.
Garderobe
Vorhanden – innerhalb oder außerhalb der Zimmer ?
Die Kleiderriegel sind innerhalb des Zimmers an der Ofenwand angebracht
Gänge und Treppen
Material – Beleuchtung – Steigung – Breite – Geländer ?
/
Lage und Größe des Turn- und Spielplatzes
Ist derselbe eingefriedigt oder sonst abgeschlossen ?
Turnhalle
Größe – Einrichtung
Als Turn- und Spielplatz wird der nur sehr kleine Schulhof benutztEine Turnhalle fehlt
Abortanlagen
System – genügende Zahl – Zustand – Ventilation – Entfernung vom Schulhause – Lage zum Brunnen ? Event. cementirte und bedeckte Gruben, gewölbt und mit Entlüftungsvorrichtung versehen ? Ist ein Pissoir vorhanden und wie beschaffen ? – Sind die Anlagen genügend beleuchtet ? – Entleerung wie oft ?
Die Abortanlage ist sehr mangelhaft.
Es besteht ein Raum für Mädchen u 1 für Knaben, getrennt durch den Abort für den Lehrer. In derselben Flucht neben dem Raum für die Knaben liegt das mit einem Pappdach versehene offene Pissoir.
Für Lüftung und Beleuchtung der Anlage bestehen keine Vorrichtungen. Die Abortgrube wird nur selten entleert.
Die Anlage ist vom Schulhause und vom Brunnen über 10m entfernt.
Trinkwasser
Leitung oder Brunnen – Güte desselben – Reinlichkeit – Auskömmlichkeit – Trinkeinrichtung (Becher?) – Beschaffenheit der Wasserversorgungsstelle (Art der Brunnenwandungen, der Abdeckung, der Entnahme usw) ? Sind nach Lage der Wasserversorgungsstelle Bedenken gegen das Trinkwasser zu erheben?
Etwa 5m vom Schulhause entfernt steht der Schulbrunnen.
Ein eiserner Röhrenbrunnen, dessen innere Teile, soweit sie sichtbar sind, augenscheinlich stark verrostet sind. Das ausfließende Wasser wird in einer schmalen, undichten Holzrinne weitergeleitet um in einer Entfernung von 2 m schon zu versickern. Das Wasser hat eine bräunliche Farbe, einen unangenehmen Geruch nach organischen Substanzen u. verursacht an den Gefäßen einen festen braunen Niederschlag. Der Geschmack des Wassers entspricht seinem unangenehmen Geruch.
Ein Trinkbecher, welcher auf einer Bank neben dem Anbau steht, ist an der Innenfläche braun beschlagen.
Die Stelle an welcher der Brunnen steht ist früher sumpfig gewesen. Gegen das Trinkwasser sind die größten Bedenken zu erheben.
Sind Badeeinrichtungen vorhanden ?
Wie beschaffen – wie viele ? Wie werden sie benutzt ?
nein
Schulkinder
Wie viele in jeder Klasse ? Kubikraum in jeder Klasse für jedes Kinde ? Zahl der Anwesenden ? Es fehlen ? Gründe des Fehlens ? Reinlichkeit des Körpers und der Kleider ?
Allgemeiner Ernährungs- und Gesundheitszustand ?
Von den 62 Schulkindern fehlt seit Monaten 1 Kind, welches anscheinend an Tuberkulose leidet. Auf jedes Kind entfallen 2,75 cbm Luftraum.
Gegen die Reinlichkeit der Kinder am Körper und Kleidern sind erhebliche Ausstellungen nicht zu machen. Der allgemeine Ernährungs- und Gesundheitszustand ist ein zufriedenstellender
Krankheiten der Schulkinder:
Von den Anwesenden waren krank ? An welchen Krankheiten ? Von den Anwesenden waren kurzsichtig ? Von den Anwesenden waren schwerhörig ? Zum Schutze gegen die ansteckenden Krankheiten ist erforderlich ? Haben seit der letzten Besichtigung Epidemien geherrscht und herrschen z. Zt. welche ? Schulschließungen ? Besondere Bemerkungen
Von den Kindern zeigten eine ganze Reihe einen leichten Bindehautkatarrh, zum Teil mit Bläschenbildung (Follikel) am unteren Augenlide. Trachom waren nicht festzustellen.
Epidemien haben in letzter Zeit nicht geherrscht, sodaß Schulschließungen nicht erforderlich waren

* * *

Der vermutete Standort der Schule Paprotsch II

Der vermutete Standort der Schule Paprotsch II

Königl. Kreisarzt Dr. Buddee

Neutomischel, den 27. Juni 1902 – Zur Verfügung vom 20.6.02 JNo. 5525/02 II a berichte ich:

An sich ist es nicht wunderbar, daß die Begutachtung des medizinischen und des Bau-Sachverständigen voneinander abweichen, gehen doch beide von einer ganz verschiedenartigen Grundlage aus. Der eine fragt sich: Wie lange kann das Gebäude noch durch Reparaturen usw gehalten werden, der andere: Sind die hygienischen Verhältnisse dem Zwecke des Gebäudes so zuwiderlaufend, daß eine größere Reparatur nicht mehr lohnt.

Dagegen, daß man das Gebäude noch einige Jahre durch Ausbesserungen vor dem Einfallen bewahren kann, habe ich keinen Zweifel erhoben, es wäre auch bedauerlich, wenn der medizinische Sachverständige in die Lage kommen sollte, die sofortige Schließung einer Schule zu verlangen, weil sie jeden Augenblick durch Einsturz das Leben der Insassen gefährden kann. Die Möglichkeit eine Reparatur zu begutachten ist Aufgabe der technischen Sachverständigen.

Dagegen glaube ich, gehört die hygienische Seite der Frage zur Competenz des Medizinalbeamten. Ein solcher hat an dem Lokaltermin am 13. d. M. nicht teilgenommen.

Ich will die von mir vorgefundenen Mängel kurz zusammenfassen:

  1. Das Gebäude ist alt und mangelhaft, sodaß es auch im Schulzimmer durchregnet und Wände, Bänke und Fußboden von der Feuchtigkeit leiden
  2. Es steht auf einem als besonders feucht und sumpfig bekannten Terrain
  3. Das Schulzimmer ist zumal in Bezug auf Beleuchtung sehr schlecht eingerichtet. Die Fenster sind niedrig und reichen nicht entfernt bis an die Decke, ihre gesammte Glasfläche beträgt um 1/10 der Bodenfläche. Davon müssen aber die beiden südlichen Fenster noch in Abzug gebracht werden, da diese den Kindern das Licht in die Augen werfen und blenden, also nur schaden. Nicht umsonst zeigt ein großer Teil der Kinder Augenbindehautkatarrh. – Doch nicht allein die Kinder müssen unter diesem Übelstande leiden. Auch der Lehrer sieht vom Katheder aus ins Licht, sodaß nicht nur seine Augen angegriffen werden, sondern auch die Beaufsichtigung der Kinder erschwert wird.
  4. Das Trinkwasser ist als solches schlecht. Es bildet einen weislich braunen Niederschlag, riecht und schmeckt nach organischen Bestandteilen, ist also stark eisenhaltig und entstammt einem moorigen Boden. Thatsächlich wird das Wasser aus dem nahen Graben vorgezogen.
  5. Die Abortanlagen sind ebenfalls mangelhaft. Sowohl in Bezug auf Zahl, als auch auf die Trennung der Geschlechter
  6. Die Lehrerwohnung ist nicht gesund. Die Luft darin ist dumpf und feucht, und alle Reparaturen kleinerer Schäden werden daran nichts ändern

Nachdem ich alle diese Schäden festgestellt hatte, lag für mich um so weniger Grund vor, kleine Ausbesserungen vorzuschlagen, als ich erfuhr, daß ein Neubau bereits beabsichtigt werde, es fragt sich nur, ob auf demselben Grundstück oder auf einem anderen

Da nach Aussage des Gemeindevorstehers ein besserer Baugrund zu erhalten ist, so konnte ich auch diese Forderung mit gutem Gewissen aufstellen, obwohl es in jedem Fall meine Pflicht gewesen wäre, auf eine höher gelegene Baustelle zu dringen.

Zum Schlusse muß ich bemerken, daß ich es weder für ein Prinzip der Schulgesundheitspflege, noch für sparsam halte, ein altes schlechtes Schulgebäude für wenige Jahre notdürftig auszubessern, ganz ohne Rücksicht auf die nicht zu beseitigenden hygienischen Mängel desselben

Sollten bei der Königlichen Regierung Zweifel obwalten, so bitte ich Herrn Regierungs- und Medizinalrat Dr. Schmidt mit einer Besichtigung an Ort und Stelle zu beauftragen, da nur der höhere Medizinalbeamte als Obergutachter in Frage kommen kann

* * *

 Zwischen den Unterlagen fand sich ein Zettel mit folgenden Notizen des Arztes:
Paprotsch (alte Schule)
Schwerhörig:  1) Martha Hirsch, 2) Frieda Kucz, 3) Oskar Woydt
Selma Schliefke teilweise (Heinrich Sch.), Ferdinand Schliefke teilweise (Heinrich Sch.)

* * *

Quellen soweit nicht direkt im Text oder in der Bildbeschreibung genannt: Staatsarchivs Poznan (http://szukajwarchiwach.pl/) – hier Aktenkonvolut  377 Lekarz Powiatowy w Nowym Tomyślu [Kreisarzt in Neutomischel] Sign. 41 Orts- und Schulbesichtigung Paproć