Vollständiger Auszug aus dem nichtamtlichem Teil – Stadt- und Landkirchen
Die Ausführungen zur Evangelischen Kirche in Heidersbach wurden in vollem Umfange beibehalten, das die Baubeschreibung der Kirche zu Sontop in deren unmittelbaren Zusammenhang steht.
Der Artikel stammt aus dem Zentralblatt der Bauverwaltung vom 25. Januar 1908 und wurde veröffentlicht von den Schriftleitern Otto Sarrazin und Friedrich Schultze
Eingefügt wurden Bilder der heutigen Ansicht, um zu zeigen, wie sich der seinerzeit ausgewählte Kirchenbau in das Dorf Sontop einpasst.
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Wo im Thüringer Walde von der die Schmücke mit dem Großen Beerberg verbindenden Rennstiegstrecke der Gebirgskamm gegen Süden abfällt, führen zwei Wege nach Suhl, der eine durch den Goldlantergrund, der andere durch den Heidersbacher Kessel. Hier liegt an dem Gebirghange das große, 1150 Einwohner zählende Bleichdorf, das der Bergabdachung den Namen gegeben hat. H e i d e r s b a c h war bisher nach dem benachbarten Goldlauter eingepfarrt und erhält jetzt die in Abb. 42 bis 47 dargestellte neue Kirche. Sie liegt frei und weithin sichtbar auf einer bergrückenförmigen Erhebung, die früher als Friedhof gedient hat. Die Lage, die landschaftlichen Verhältnisse überhaupt wie insbesondere die von der Gebirgsgegend dargebotenen Baustoffe, Holz, Bruchstein und Schiefer, legten die Architekturmittel nahe, mit denen der Außenerscheinung des Gebäudes das Gepräge gegeben ist: das farbige, auf Grundmauern von Bruchstein errichtete Fachwerk, das hohe, schützende Schieferdach und den aus diesen sich nicht zu stark herauslösenden, mit ihm unter eine Schieferhaut gezogenen gedrungenen Holzturm. Wenn gefunden wird, dass sich in diesem Gepräge gewissermaßen die fröhliche, aber den elementaren Gewalten des Gebirges gegenüber schutzbedürftige und darum nicht allzu selbstbewusste Eigenart des Thüringer Bergbewohners spiegelt, so wollen wir dem nicht widersprechen. Dem schaffenden Architekten kommen ja derartige Beziehungen, wenn er am Werke ist, nicht so klar zum Bewusstsein. Aber sie bilden sich schließlich doch dann heraus, wenn aus dem Born der heimischen Überlieferung geschöpft wird; denn diese hat sich, soweit sie wirklich heimisch, also gesund ist, aus dem Verwachsensein des Bewohners mit seiner Scholle und aus den Eigenschaften, die ihm daraus entstanden sind, ergeben. Ansprechend gemustert, mit frisch rot gestrichenen Hölzern und weiß geputzten Gefachen ist das Fachwerk der Umfassungswände dem Schmuckbedürfnis des schlichten Gebirgsbewohners angepasst. Der graue Ton des stark vorherrschenden eingeschieferten Flächen gibt, künstlerischen Gegensatz und kirchlich ernsten Charakter. Das schützende Dach ist bei der in unregelmäßiger Vieleckform gebildeten Vorhalle noch tiefer heruntergezogen als beim Schiffe und streckt sich, nach drei Seiten geöffnet, vor, um bei den Unbilden rauher Winterwitterung sowohl wie bei stechender Sommersonne recht bald willkommenen Unterschlupf zu bieten.
Von der inneren Vorhalle aus führen zwei Treppen zu den geräumigen, bis an den Altarraum durchgezogenen Emporen, mit denen die Schiffsgrundfläche ziemlich stark überbaut werden musste, um in knappstem Raume einer möglichst großen Zahl von Kirchgängern Unterkunft zu gewähren. Auf diese Weise ist es gelungen, den Einheitssatz für den Sitzplatz auf rund 83 Mark herunterzubringen. Die Baukosten belaufen sich auf 29 500 Mark, die Zahl der Sitzplätze auf 359. Das Orgelwerk ist in den Vorhallenbau hineingezogen, wodurch dessen Dachhöhe weitere Berechtigung gewinnt. Um am Turm zu sparen, ist dieser über dem Altarraume errichtet. Unter einem Schleppdache schmiegt sich ihm auf der einen Seite die Sakristei an, während auf der anderen Seite die unter dem durchgezogenen Schiffsdache belegene Treppe zum Turme und Dachboden angeordnet ist.
Die Vorstellung von der räumlichen Gestaltung des Kircheninneren geben die Schnitte und die kleine Abbildung, die den in den Chorraum eingebauten Kanzelaltar darstellt. Die Emporenpfosten sind hochgezogen, womit der dreifach Vorteil erzielt wird, dass der Kirchenraum, ohne an Übersichtlichkeit zu verlieren, gewissermaßen dreischiffig wird, dass sich die Decke dementsprechend gliedert und dass sich ungezwungen ein zweckmäßiger Dachverband ergibt. – Um den Kirchenraum tunlichst warm zu halten, sind die Fachwände innen verschalt und geputzt, die verleisteten Schaldecken mit Dachpappe und Lehmschlag bedeckt. Heizung ist nur für die Sakristei vorgesehen. Die Bauausführung liegt in den Händen des Baurats Collmann v. Schatteburg in Schleusingen.
Einen starken Gegensatz zur Heidersbacher Kirche bildet, obwohl sie die gleiche Grundrissform besitzt, die Kirche des posenschen Dorfes Sontop, die sich ebenfalls zur Zeit in Ausführung befindet (Abb. 48 bis 51). Auch hier Saalform mit abgesetztem Chore und Sakristei zur Seite, starke Überbauung der Schiffsgrundfläche mit durchgezogener Empore, dreischiffige Raumgliederung mittels hochgenommener Emporenpfosten und dreigeteilter Decke, zwei neben der Vorhalle belegene Treppen in besonderen Treppenhäusern. Aber gleichwohl im Aufbau grundverschiedenes Wesen. Auch hier hat das Bestreben obgewaltet, die Erscheinung des Baues den örtlichen Verhältnissen anzupassen. Diese Verhältnisse sind aber eben ganz andere: flaches Land mit bescheidenen Reizen, stark gemischte Bevölkerung, wenig Reste alter Kultur; ein Vorort – das Dorf liegt im Kreise Neutomischel – und eine Gegend, in der erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts des Protestantismus festen Fuß fasste. Das sind die Ausgangspunkte für die Aufbaugestaltung gewesen. Die Lage der Kirche im Orte kam hinzu. Ein etwa 80 m breiter Dorfanger, lang gestreckt, an beiden Seiten mit bäuerlichen Grundstücken besetzt und von einem Wassergraben durchflossen, hatte die Kirche nebst dem Pfarranwesen aufzunehmen. Eine malerische Gruppierung beider schien hier nicht am Platze. Die Kirche ist, symmetrisch und massig behandelt, in die Mitte des Angers gesetzt. Die Pfarre liegt, von der Kirche durch den Pfarrgarten getrennt, seitlich hinter ihr.
Die Formensprache des Baues ist die des 18. Jahrhunderts; die architektonischen Mittel sind Putzbau, durch Zurücksetzungen, mittels deren beim Schiffe die Ober- und Unterfenster zusammengezogen sind, gegliedert und in zwei Tönen gestrichen; ferner Biberschwanzdächer, ein dicker, vom Grund massiv aufgeführter Turm in der Westfront, mit niedriger, ziegelgedeckter Haube und Laterne gekrönt. – In der Kirche finden 575 Besucher Platz, davon etwa 200 auf den Emporen. Der Einheitssatz für den Sitzplatz beträgt 115 Mark bei einer anschlagsmässigen Baukostensumme von 62 000 Mark; das Kubikmeter umbauten Raumes kostet beim Kirchenhause 17, beim Turme 20 Mark. Die Ausführung des Baues untersteht der Leitung des Kreisbaubeamten Baurat Hauptner in Posen.