„Städtisches Krankenhaus zu Neutomischel“ – Die Verwaltung – 1883/84

Das Krankenhausgelände heute - Postkartenausschnitt

Unseren Veröffentlichungen über die Bauvergabe  und den Bauvertrag folgen mit diesem Beitrag die Ausführungen zu den Statuten der Verwaltung zur Führung des „Städtischen Krankenhauses zu Neutomischel“.

Die Einrichtung jener Zeit kann mehr oder weniger als Privatklinik angesehen werden, da bis auf wenige Ausnahmen die Erkrankten alle Kosten für den Arzt, die Behandlung, die Medikamente und die Unterbringung mit Verpflegung selbst zu tragen hatten.

Eine gewisse Berühmheit erlangte dass Krankenhaus durch die für eine Behandlung zu zahlenden Pflegesätze. Das vom Magistrat erhobene Pflegegeld in Neutomischel belief sich auf 1,50 Mark zuzüglich der Arzt-, Arznei- und Verpflegungskosten während in anderen Krankenanstalten Kosten in Höhe von 1,20 bis 1,50 Mark inklusive der Arzt- und Arzneikosten und nur die Kosten der Verpflegung ausgenommen, zu zahlen gewesen waren. Es findet sich sogar eine Bemerkung, dass Kranke lieber die beschwerliche Reise nach Posen in Kauf genommen hätten, ehe sie zur Zahlung der Kosten in Neutomischel bereit gewesen wären.

* * *

Das in den Jahren 1883/1884 neu erbaute und eingerichtete Krankenhaus wurde unter der Bezeichnung „Städtisches Krankenhaus zu Neutomischel“ geführt. Die Krankenhausverwaltung oblag dem Magistrat der Stadt, so der einstimmige Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 23. November 1893, welcher in jener Zeit  Herr Witte als Bürgermeister und die Herren Gustav Toeffling, Ernst Tepper, Ad. Maennel und B. Maennel beigewohnt hatten.

Der Zweck des Krankenhause sollte einzig und allein der Aufnahme

  • erkrankter Personen aus der Stadt Neutomischel gegen eine mäßige Entschädigung
  • der auf der Reise erkrankten hilfsbedürftigen Personen und
  • der durch Gesetz für Hilfsbedürftige Arme gegen eine geregelte Entschädigung zur Kur und Pflege

dienen.

Die Aufnahme von anderen erkrankten Personen aus den „Außengemeinden“ war nur vorgesehen gewesen, soweit dieses der vorhandene Raum und die Einrichtung gestattet hätten. Bevorrechtigt vor Ihnen waren jedoch noch die Mitglieder der Ortskrankenkassen, bezüglich derer ein kontraktliches Übereinkommen bestanden hatte.  Die „Außengemeinden“ Bewohner hatten, wenn sie denn aufgenommen wurden außer den Arzt- und Medizinkosten die Kosten, die durch die Gewährung des Unterkommens, der Vorhaltung der Gerätschaften und die ihrer Verpflegung entstehenden baren Auslagen, zu welchen auch die Kosten der Heizung gehört hatten, zu entrichten.

Eine Aufnahme Erkrankter in das Krankenhaus ohne das Vorwissen des Magistrats hatte nicht erfolgen dürfen. Bei ganz dringenden Fälle, diese waren von der Regelung ausgenommen gewesen, war dem Magistrat spätestens am nächsten Tage eine Mitteilung zu übermitteln gewesen. Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift hätte zur Folge haben können, dass derjenige, welcher die Aufnahme veranlasst hatte, ggfls. für die entstandenen Kosten haftbar gewesen wäre.

Jeder der in der Stadt Neutomischel wohnhaften Ärzte hatte das Recht gehabt seine Kranken im Krankenhaus zu behandeln. Die Behandlungskosten eines Kranken, der nicht Patient dieser Ärzte war, wurde nur vom Magistrat übernommen, wenn dieser durch den Magistrat überwiesen bzw. in das Krankenhaus eingewiesen worden war. Die Einstellung eines „eigenen“ Krankenhausarztes durch die Stadt war nicht vorgesehen gewesen, dieses hatte der Magistrat nicht für notwendig erachtet, da, so war die Argumentation gewesen, alle Behandlungen durch die am Ort praktizierenden Ärzte und in dem ihn zur Verfügung stehenden Krankenhauses erledigt werden konnten.

In dem seinerzeit fünften verfassten Punkt der Krankenhaussatzung war vorgesehen gewesen, die sanitätspolizeiliche Leitung des Krankenhauses alljährlich einem der am Krankenhaus gleichberechtigt tätigen Ärzte gegen eine separate Vereinbarung zu übertragen.

Dieses entsprach jedoch nicht der annähernd 9 Jahre nach der Inbetriebnahme des Krankenhauses, erlassenen Anordnung des königlichen Regierungspräsidenten in Posen. Jeder Einwand und jede Argumentation des Magistrats, die hervorgebracht worden war um die Beibehaltung der für das Krankenhaus festgeschriebenen Statuten zu erreichen, wurde jedoch aus Posen als nicht den Gesetzen entsprechend abgelehnt.  Dem Magistrat wurde vorgeschrieben einen Arzt mit der sänitätspolizeilichen Leitung des Krankenhauses vertraglich zu verpflichten. Diese Anweisung führte am Krankenhaus in Neutomischel zu Neid und Mißgunst und ruinierte fast die Karriere des in der Stadt praktizierenden Arztes Dr. Loechner; über die gefundenen Einzelheiten berichten wir in unserer nächsten Veröffentlichung zum „Städtischen Krankenhaus zu Neutomischel“.

Bereits 1888 hatte man seitens des Magistrats mit dem Diakonissenmutterhaus in Posen einen Vertrag über die Entsendung von zwei Diakonissinnen nach Neutomischel geschlossen. In diesem Vertrag, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikel noch nicht vorlag, waren, so die Ausführungen in den Krankenhausstatuten, deren Rechte und Pflichten geregelt. In den Krankenhausstatuten selbst wurde lediglich ergänzend der Punkt hervorgehoben, dass außerhalb des Krankenhauses die Schwestern nur mit Zustimmung des Magistrats Krankenpflege ausüben durften und es ihnen nicht gestattet war, dass sich beide zu gleicher Zeit aus der Anstalt – wenn sich Kranke darin befanden – entfernen durften.

Durch die Krankenschwestern war auch die Ökonomie des Krankenhauses zu erledigen gewesen, jede etwaige Neuanschaffung oder Nachbestellung von Materialien etc. war jedoch selbstverständlich nur mit Zustimmung des Magistrats erlaubt gewesen.

Zum Krankenhaus gehörte in jener Zeit noch ein Garten. In diesem, so sahen die Statuten es vor, fand der Anbau von Gartenfrüchten statt. Die Nutzbarmachung hatte nach Anweisung des Magistrats zu erfolgen, wobei die Wünsche der Schwestern berücksichtigt werden konnten. Jedoch blieb die Hopfen-, Spargel- , Wein- und Obst- Nutzung den Bestimmungen des Magistrats vorbehalten.

Den Kranken konnte der Aufenthalt im Garten gestattet werden, doch hatten sich dieselben den zum Schutz der Gartenfrüchte getroffenen Anordnungen zu fügen. Bei Zuwiderhandlungen oder Entwendung von Gartenfrüchten konnte den Kranken der Aufenthalt im Garten untersagt werden.

Weiterhin hatten die Kranken die Hausordnung sowie die Anordnungen der Ärzte und Schwestern genau zu befolgen. Das Umherlaufen der Kranken außerhalb des Krankenhauses und des dazu gehörigen Hofraumes und Gartens war ihnen nicht gestattet gewesen, es sei denn, sie hatten dazu die Erlaubnis erhalten.

Über die Einnahmen und Ausgaben des Krankenhauses hatte der Magistrat beziehungsweise der die Kasse verwaltende Rendant alljährlich Rechnung zu legen und diese der Stadtverordneten-Versammlung zur Decharge vorzulegen.

* * *

Quelle: Archiwum Państwowe w Poznaniu – Fond: Akta miasta Nowy Tomyśl [Stadtakten]

  • http://szukajwarchiwach.pl/53/4385/0/1.4/68  – Die Nutzung und Unterhaltung des Grundstücks Neutomischel Nr. 44- Krankenhaus pp.
  • http://szukajwarchiwach.pl/53/4385/0/1.4/69 – Die Verwaltung und Leitung des städtischen Krankenhauses