Untergang der „Elbe“ – Trauer in Buk / 1895

Karte des Unglücksortes / Quelle: Wikipedia - Von unbekannt - Die Gartenlaube 1895, Sammelband Nr. 8, S. 116, PD-alt-100, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=2753770

Karte des Unglücksortes / Quelle: Wikipedia – Von unbekannt – Die Gartenlaube 1895, Sammelband Nr. 8, S. 116, PD-alt-100, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=2753770

Untergang der „Elbe“ – Ein fürchterliches Unglück hat sich am 30.01.1895 früh auf der Nordsee ereignet. Der Passagierdampfer „Elbe“ ist gesunken. Mehr als dreihundert Personen haben dabei ihr Leben verloren.

„Auf den Straßen, in den Pferdebahnwagen, in den öffentlichen Lokalen – überall, wo sich Menschen zusammenfanden, beherrschte gestern das entsetzliche Unglück, das die „Elbe“ und mit ihr Hunderte von Familien betroffen hat, die Unterhaltung. Es schien, als hätte das Furchtbare, das so unerwartet die Gemüther in Schrecken versetzt, das Interesse an allem Anderen verdrängt, Hader und Zwiespalt gebannt und alles Mitleid und alle Theilnahme, deren das Menschenherz fähig ist, wachgerufen“

Die Trauer „zeigte sich auch in dem Bureau des Norddeutschen Lloyd Unter den Linden. Von den frühen Morgenstunden an war hier ein stetes Kommen und Gehen. Das große Schaufenster, in dem die Reliefkarten ausgestellt sind, welche über die Schiffsbewegung des Institutes Auskunft geben, war verhüllt, wie zum Zeichen der Trauer über das erschütternde, unsagbare Unglück.“

„Im Bureau aber ging es lebhaft zu. Nicht nur Diejenigen, die nach dem Schicksal eines theuren Angehörigen bange Fragen richteten, fanden sich ein, sondern Unzählige, die das Mitleid, die Theilnahme für unglückliche Mitmenschen, mochten sie ihnen auch noch so fern stehen, im Innersten erschüttert hatte.“

„Niemand wollte daran glauben, daß das Entsetzliche sich so zugetragen, daß wirklich Hunderte von Menschen einem so erbarmungslosen Schicksal verfallen seien. Aber man konnte keine tröstliche Auskunft geben. Viele der Nachfragenden haarten geduldig aus, ob nicht doch noch eine erlösende Botschaft käme, wenigstens die Mittheilung, daß die Zahl der Geretteten größer sei, als die ersten Meldungen sie angegeben. Vergeblich!“

Das Passagierschiff  „Elbe“ hatte am 29. Januar 1895 nachmittags seine Reise von Bremerhaven nach New York angetreten. In den Morgenstunden des 30. Januar hatte ein heftiger Sturm eingesetzt. Um 5 Uhr 40 Minuten rammte die „Crathi“ mit voller Wucht die Breitseite des Passagierschiffes Die „Elbe“ versank in nur annähernd 20 Minuten.

Passagierschiff "Elbe" / Quelle: Wikipedia - Von unbekannt - Die Gartenlaube 1895, Sammelband, Nr. 8, S. 117, Fotografie im Verlag von W. Sander & Sohn, Geestemünde, PD-alt-100, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=2753757

Passagierschiff „Elbe“ / Quelle: Wikipedia – Von unbekannt – Die Gartenlaube 1895, Sammelband, Nr. 8, S. 117, Fotografie im Verlag von W. Sander & Sohn, Geestemünde, PD-alt-100, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=2753757

Von den 199 Passagieren, 4 Postbeamten, 2 Lotsen und 149 Mann Besatzung wurden gerettet 5 Passagiere, 2 Lotsen und 13 Mann der Mannschaft (es finden sich in einigen Berichten leicht abweichende Zahlen, immer ist aber von über 300 Toten geschrieben worden)

Die Berichterstattungen handelten vornehmlich von dem Unfallhergang, der Rettung der wenigen Überlebenden und Konsequenzen, welche aus dem Unglück für die Zukunft der Passagierschiffahrt zu ziehen seien. Über die Opfer findet sich wenig.

Und doch … die Trauer muss, wie sie in Berlin geherrscht hat, auch im Städtchen Buk zugegen gewesen sein.

Das Posener Tageblatt berichtete unter der Überschrift „Verunglückt auf der Elbe“ – „ist auch der Sohn des hiesigen Rabbiners Gutwirth. Derselbe war in Amerika in einem größeren Handlungsgeschäfte in Stellung und hielt sich hier längere Zeit besuchsweise bei seinem Vater auf.

Letzterer wollte seinen Sohn, der besondere kaufmännische Tüchtigkeit dadurch an den Tag legt, daß er außer in der deutschen auch in der französischen, englischen und spanischen Sprache die Korrespondenz zu führen verstand, gern in einem größeren Geschäft Deutschlands unterbringen.

Den Verunglückten jedoch zog ein unwiderstehlicher Drang nach Amerika zurück. Gegen den Willen seines Vaters reiste er früher, als letzterer es gestatten wollte, von hier ab, um gerade die „Elbe“, mit welchem Schiffe er herübergekommen war, zu seiner Rückreise zu benutzen.

Auch ihm ist, im Alter von 29 Jahren, mit den anderen Verunglückten ein Grab in den Wellen zu Theil geworden.“

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Marcus Gutwirth war ca. 1866 als Sohn des aus Krakau gebürtigen Rabbiners Joel David Gutwirth und dessen Ehefrau Ernestine geb. Lewy geboren worden. Seine vermutlich erste Reise nach New York hatte er im Juli 1889 im Alter von 23 Jahren angetreten. Mit an Bord des Dampfers „Hammonia“ war die 18 jährige Schwester Minnie (Minna) Lea Gutwirth. Sie ehelichte 1893 in New York Victor Emanuel Berman.

Als ein Grund für seine Rückkehr könnte der Tod seiner Mutter im April 1894 angesehen werden. Nicht bekannt ist, ob die überstürzte Abreise etwaig mit der im März 1895 angestandenen Wiederverehelichung seines Vaters mit der 27 jüngeren Bertha Beile Spieldoch in Zusammenhang gestanden hat.

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Quellen, soweit nicht direkt im Text oder in Bildbeschreibungen angegeben: 1) Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung 1895-01-31 / Seite 3 und  1895-02-01/ Seite 5 – www.ZEFYS.Staatsbibliothek-Berlin.de; 2) Posener Tageblatt 1895-02-09 / Seite 3 – www.wbc.poznan.pl/libra; 3) Personenstandsunterlagen Staatsarchiv Poznan