
Titelseite: „Fest-Zeitung für das VI
Bundesschiessen der Schützenbund Neumark-in Posen Neutomischel am 1. und 2. August 1897 “ – In Sammlungen der Universitätsbibliothek in Poznan
Schuß auf Schuß krachte nun den Scheiben entgegen und sowohl der Festscheibenstand wie die drei Stände für das Lagenschießen waren dicht umdrängt von schießlüsternen Schützen „bereit, sich friedlichem Wettkampf zu weih’n!“, aber in musterhafter Ordnung ging alles von Statten und jeder ließ es sich angelegen sein, dem Schießauschuß sein an und für sich so schweres Amt nach Möglichkeit zu erleichtern.
Und wer sein Müthchen auf dem Schießstand gekühlt hatte, der eilte zurück in den Schützengarten, wo Herr Post es verstand, durch eine treffliche Auswahl meist tadellos ausgeführter Musikstücke zu unterhalten und Herz und Gemüth zu erfreuen und wo in ununterbrochenem Strom Männlein, Weiblein und Kindlein von Nah und Fern herzueilte, um auch ihren Theil an dem Feste zu nehmen. Da wurden neue Bekanntschaften geschlossen und alte erneuert, da trafen sich Wirthe und Gäste, alte Freunde und Schützenbrüder, die sich lange nicht gesehen, da näherten und unterhielten sich der Bürger und der Landmann, der Kaufmann, der Handwerker und der Beamte, und Faden und Faden spann sich herüber und hinüber und wob um alle fest und fester das Band echter deutscher Treue, Gastfreundschaft und Gemüthlichkeit. – Wer aber im Schützengarten seine Rechnung nicht fand, den zog es nach der Festwiese, die eine mächtige Kopf an Kopf gedrängte Menschenmenge überfluthete.
Leider hatte hier die ungünstige Witterung der vergangenen Woche so manchen Budenbesitzer vom Beziehen eines Standes zurückgehalten, sodaß selbst ein Karoussel fehlte, was vielfach schmerzlich vermißt wurde; dafür war die Luftschaukel um so mehr besetzt, auch die vorhandenen Schau- und Würfelbuden waren stets dich umdrängt und so manchen sah man hoch beglückt mit seinem für 10 Pf. Einsatz errungenen Gewinn in Gestalt einer Lampe, eines Waschgeschirrs, eines „Goldfischteichs“ oder dgl. von dannen ziehen. In den beiden Bierzelten, von denen namentlich das Thomas’sche durch seine geschmackvolle Herrichtung anzog, gelang es nur schwer, ein Plätzchen zu finden und der edle Gerstensaft war ein vielbegehrter Artikel.
Inzwischen begann das Büchsenlicht auszugehen und das Signal „das Ganze Sammeln“ rief die Schützen in die Festhalle zum Kommers, dessen Leitung Herr Amtsrichter Dr. Rudolphi freundlichst übernommen hatte. Da kein Eintrittsgeld mehr erhoben wurde, umstand eine dichte Menschenmenge die Kommerstafeln und es war keine leichte Aufgabe, das nöthige „Silentium“ für die in großer Anzahl „geschmetterten“ Reden zu erlangen, wobei in thatkräftigster und gewandtester Weise der Geschäftsführer des Bundes, Herrn Bernhardt aus Schwiebus den Präsident zu unterstützen wußte. Besonders hoch aufgenommen wurde es von den Schützen, daß auch der Ehrenvorsitzende der Festleitung, der Herr Landrath von Daniel an dem Kommers theilnahm, der gegen 10 Uhr sein Ende erreichte. Die Fluthwelle, welche der Schützengarten angezogen, ebbte nun zurück, und was der Tanzsaal des Schützenhauses nicht zu schaffen vermochte, strömte zur Stadt, wo auch der Rohlfing’sche Saal den Schützen Gelegenheit bot, das Tanzbein zu schwingen, und wohl mancher mag erst, wie der Schleier der Nacht, dem erwachenden Morgen gewichen sein und die Frage des um 5 Uhr ertönenden Weckrufs: „Hast Du noch nicht lang genug geschlafen?“ gar nicht gehört oder etwas unwirsch beantwortet haben.
Aber doch gab es Frühaufsteher genug, die dem „Freut Euch des Lebens“ folgten, und bald nach 5 Uhr konnte man schon wieder den scharfen Knall der Büchsen vom Schießstand her vernehmen. Nach und nach füllte sich auch der Schützengarten, und der allzeit rührige und aufgelegte Herr Bernhardt verstand es, alle Mann zu einem Frühschoppen zusammenzutrommeln, und mit seinem urwüchsigen Humor und seiner erheiternden Schlagfertigkeit einen Kommers zu Stande zu bringen, der nicht nur die Theilnehmer sondern auch die Zuschauer, zu denen auch Damen gehörten, zu fast unaufhörlichen Lachsalven hinriß. Wessen Kater dem erprobten Mittel der „Hundehaare“ nicht weichen wollte, dem brachte sicher die anhaltende Zwerchfellerschütterung die gewünschte Heilung, aber als Nebenwirkung auch Leib- und Kinnbackenschmerzen ein. Die Schützen meinten: „Es war zum Schießen!“ Bald nach 1 Uhr begann das Festessen, an dem 84 Personen theilnahmen; es wurde gewürzt durch zahlreiche Reden und Toaste, von denen diejenigen des Herrn Oberstleutnant von Zawadzky und des Herrn Landrath von Daniels ganz besonderen Eindruck machten. Nach dem Essen wurde – wieder auf Anregung des so recht eigentlich die Seele des Ganzen bildenden Herrn Bernhardt – ein den gastfreien Frauen Neutomischels gewidmeter Huldigungszug durch die Stadt unternommen: voran auf einem Leiterwagen die Musik, dahinter auf stuhlbesetzten Rollwagen und anderen Gefährten die Schützen. Dazwischen zu Fuß die Pagen und Hopfenträger. Der Zug erregte viel Heiterkeit. Kaum war er wieder im Schützengarten angelangt, als ein Regenguß Alles unter schützendes Obdach trieb; er vermochte jedoch die festliche Stimmung nicht zu beeinträchtigen.
Mit lebhafter Spannung sahen die Meisten dem Ergebniß der Arbeiten des Schießausschusses entgegen, die mit fieberhaftem Eifer betrieben wurden, um die besten Schützen zu ermitteln und festzustellen, welche Würden und Gewinne sie errungen hatten. Letztere war in übersichtlicher und geschmackvoller Weise in einem Zimmer des Schützenhauses ausgestellt und bestanden aus durchweg sehr hübschen, mehr oder minder kostbaren Gebrauchsgegenständen.
Als Ehrengabe der Stadt Neutomischel wurde ein prachtvoller Regulator viel bewundert, der dem besten Schützen neben der Würde des Bundeskönigs und dem aus 6 schweren silbernen Löffeln bestehenden ersten Gewinn zufallen sollte.
Gegen 7 Uhr fand die Verkündigung des Königs und der Ritter, deren Namen schon in der vorigen Nummer bekannt gegeben sind, und die Vertheilung der Gewinne statt, eine ausführliche Liste der Gewinne bringen wir an anderer Stelle unseres Blattes. Nachdem der König und die Ritter mit brausenden Hochs begrüßt worden waren, ordnete sich alles vor dem Schützenhause zu festlichem Zuge, in dem der König mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen eingeführt wurde. Vor dem Bundeslokal wurde Halt gemacht und, nachdem ein donnerndes Hoch gebracht war, für das mit einigen Worten herzlich dankte, noch ein Abschiedstrunk genehmigt, womit die offizielle Festlichkeit beendigt war.
* * *
Verrauscht ist das Fest, genossen die Freude ! Vom wolkenlosten blauen Himmel lacht die Sonne herab, als könnte das nicht anders sein und als wollte sie uns so recht vor Augen führen, den Unterschied gegen das ungünstige Wetter der Festtage; fast scheint es, als hätte ein Unstern über dem verflossenen Fest gewaltet. Nicht allein, daß die Witterung es, wenn nicht ganz in Frage zu stellen, so doch auf das Ungünstigste zu beeinflussen schien – das wäre zu verschmerzen, der Schaden zu ersetzen und einzuholen gewesen – nein, einen viel tieferen Schatten warf des Todes dunkler Fittig auf das Fest. An seinem Vorabend, mitten aus den umfangreichen Vorbereitungen, aus der Freude und Hoffnung auf ein gutes Geschäft, mitten aus der blühenden Jugend riß der unerforschliche Rathschluß Gottes in jähem Tod dem Schießhauswirth (Bruno Julius Paul Toeffling *29. Dezember 1859) die treu waltende Gattin (Emma Elisabeth Clara geb. Kaulfuss, verw. Hofbauer *22 Juni 1863 – +31. Juli 1897) von der Seite ! Eindringlicher konnte dem Feste das „Memenio mori“ nicht auf die Stirne geprägt werden! Und jeder, auch der am fernsten Stehende, hatte innige Theilnahme für den so schwer Betroffenen und auf vielseitige Anregung und allgemeinen Wunsch wurde diesem Gefühl Ausdruck gegeben durch einen Kranz, welchen der Geschäftsführer Herr Bernhardt im Namen des Bundes mit bewegten Worten Herrn Toeffling überreichte. Wenn es diesem gelang, mit fast übermenschlicher Anstrengung sich aufrecht zu erhalten und die übernommenen Verpflichtungen trotz alledem zu erfüllen, so ist ihm ein wesentlicher Theil an dem Gelingen des Festes zu danken.
Und das mußte ein Jeder gestehen, daß das Fest doch als ein gut geleitetes und wohl gelungenes zu bezeichnen ist. Wie sich sein finanzielles Ergebnis für die hiesige Gilde gestalten wird, ist noch nicht zu übersehen, da noch viele Rechnungen ausstehen; hoffen und wünschen wir, daß das Fest auch nach dieser Richtung hin einen Guten Abschluß finden möge.
* * *
Das Ergebniß des Schießens war folgendes: | Ringzahl | |
1. |
Kernchen-Unruhstadt (Stellmachermeister) – 1 Regulator (Ehrenpreis der Stadt Neutomischel) und 6 silberne Eßlöffel |
55 |
2. |
R. Lischke-Wollstein (Schlossermeister) – 1 Teppich und 2 Bettvorleger |
53 |
3. |
Nitschke-Unruhstadt – 6 starke silberne Theelöffel |
52 |
4. |
Parchwitz-Züllichau – 6 silberne Theelöffel |
52 |
5. |
Hunold-Neutomischel – 1 Regulator |
51 |
6. |
Kutzner-Neutomischel – 1 Fruchtschale |
51 |
7. |
Peschel-Unruhstadt – 1 Barometer mit Thermometer |
51 |
8. |
Lüders-Bentschen – 1 Kaffee-Service |
50 |
9. |
Kadach-Unruhstadt – 1 Garderobenständer |
48 |
10. |
Schön-Schwiebus – 1 Butterdose |
48 |
11. |
Goldmann-Neutomischel – 1 Fleischmaschine |
47 |
12. |
Rothe–Bentschen – 1 Etui mit Bürsten |
47 |
13. |
Seelig-Bentschen – 1 Schiffsuhr |
47 |
14. |
Franke-Neutomischel – 1 Reise-Ledertasche |
47 |
15. |
Kärger-Schwiebus – 1 Reise-Sacktasche |
47 |
16. |
Peters-Wollstein – 1 Touristentasche |
45 |
17. |
Schulz-Neutirschtiegel – 1 Bogenpeitsche |
44 |
17a. |
Strauch-Lentschen – 1 Bogenpeitsche |
44 |
18. |
Zimmermann-Bentschen – 1 Barometer |
44 |
19. |
Goldmann-Neutomischel – 1 Schreibzeug |
44 |
20. |
Hoffmann-Wollstein – 1 Fleischmaschine |
43 |
21. |
Pflaum-Neutomischel – 1 Damen-Reisetasche |
43 |
22. |
Fromm-Neutomischel – 1 Schnellkocher |
43 |
23. |
Kanopka-Tirschtiegel – 1 Suppenterrine |
43 |
24 |
Herrmann-Unruhstadt – 1 Messingkesstel |
43 |
25. |
Rau-Tirschtiegel – 1 Reisekoffer |
42 |
26. |
Bukiewicz-Neustadt b. P. – 2 Blumentopfhülsen |
42 |
27. |
Schmidt-Unruhstadt – 1 Dutzend Teller |
41 |
28. |
Müller-Züllichau – 1 Nickeltablett |
41 |
29. |
Münchberg-Schwiebus – 1 Weckeruhr |
41 |
30. |
Buchwald-Neutomischel – 1 Heringskasten |
41 |
31. |
Kühn-Tirschtiegel – 1 Tablett |
40 |
32. |
Altmann-Schwiebus – 1 Geldkasten |
40 |
33. |
Kruschinski-Bentschen – 2 Taschenkartätschen mit Etui |
40 |
34. |
Schenkel-Schwiebus – 1 Fruchtschale |
40 |
35. |
Ortelt-Lentschen – 1 Bierseidel |
39 |
36. |
Scholz-Schwiebus – 1 Portemonnaie |
39 |
37. |
Th. Morzynski-Neutomischel – 1 Cigarrentasche |
39 |
38. |
Wenzel-Schwiebus – 2 Wassereimer |
39 |
39. |
Doil-Unruhstadt – 1 Küchenwaage |
39 |
40. |
Hoffmann-Schwiebus – 1 Portemonnaie |
39 |
41. |
Thomas-Neutomischel – 1 Kohlenplätte |
38 |
42. |
Hampel-Züllichau – 1 Spazierstock |
38 |
43. |
Korytowski-Neutomischel – 1 Handtuchhalter |
38 |
44. |
Reimann-Tirschtiegel – 1 Theeglas |
38 |
45. |
Kretschmann-Unruhstadt – 1 Spazierstock |
38 |
46. |
Schmager-Züllichau – 1 Wasserkanne |
37 |
47. |
Fäsler-Wollstein – 1 Kaffeekanne |
37 |
48. |
Bürgermeister Nixdorf-Tirschtiegel – 1 Petroleumkanne |
37 |
49. |
Kriesel-Tirschtiegel – 1 Reibemaschine |
37 |
50. |
Sopolinski–Neustadt – 1 Toilettespiegel |
36 |
51. |
Scholz-Schwiebus – 1 Kopfbürste |
36 |
52. |
Woskowiak-Neutomischel – 1 Kopfbürste |
35 |
53. |
Hecker-Wollstein1 Reisekoffer |
35 |
54. |
Rausch-Neutomischel – 1 Kleiderbürste |
35 |
55. |
Liesfeld-Schwiebus – 1 Fahrradbürste |
35 |
56. |
Schulz-Wollstein – 2 Taschenbürsten |
35 |
57. |
Noack-Bentschen – 1 Parfümkasten |
34 |
58. |
Schütz-Bentschen – 1 Cigarrenspitze und Feuerzeug |
34 |
59. |
Dewald-Schwiebus – 1 Kuchenteller |
34 |
60. |
Enge-Lentschen – 1 Kuchenteller |
34 |
61. |
Unger-Schwiebus – 1 Kuchentablett |
33 |
62. |
Piontkiewicz-Bentschen – 1 Wandkalender |
33 |
63. |
Schostag-Bentschen – 1 Korkenzieher |
33 |
64. |
Bürgermeister Witte-Neutomischel – 1 Salzbüchse |
33 |
65. |
Reimann-Lentschen – 1 Kaffeetasse |
33 |
66. |
Schostag-Bentschen – 1 Kaffeetasse |
33 |
67. |
Zock-Wollstein – 1 Feuerhaken |
32 |
68. |
Appelt-Tirschtiegel – 1 Kartoffelpresse |
32 |
69. |
Scherbarth-Bentschen – 1 Kartoffelpresse |
31 |
70. |
Lankisch-Schwiebus – 1 Haartaschenbürste |
31 |
71. |
Fechner-Unruhstadt – 1 Thermometer |
31 |
72. |
Lehmann-Lentsch – 1 Salzbüchse |
31 |
73. |
Rudolf-Tirschtiegel – 1 Wasserkonsole |
31 |
74. |
Niedermeier-Neutomischel – 1 Haartaschenbürste |
31 |
75. |
Kutzner-Züllichau – 1 Menage |
31 |
76. |
Braunak-Bentschen – 1 Portemonnaie |
31 |
77. |
Thomas-Wollstein – 1 Thermometer |
31 |
78. |
Pinetzke-Tirschtiegel – 1 Salontisch |
31 |
79. |
Dittrichs-Schwiebus – 1 Tintenfaß |
30 |
80. |
Krüger-Neustadt – 2 Büchsen zu Kaffee und Zucker |
30 |
81. |
Bartsch-Züllichau – 1 Dtzd. Gläseruntersatzteller |
30 |
82. |
Rau-Lentschen – 1 Mehlbüchse |
30 |
83. |
Goldmann-Neutomischel – 1 Salatschüssel |
30 |
84. |
Kanopka-Tirschtiegel – 1 Laterne |
30 |
85. |
Tenoske-Schwiebus – 2 Wandteller |
29 |
Auf den Lagenscheiben notieren wir noch als beste Schützen die Kameraden:
- Paul Müller-Züllichau mit 58 Ringen (20.19.19.)
- O Hoffmann-Wollstein und
- Seelig-Bentschen mit ebenfalls je 56 Ringen (19.19.18)
* * *