Die Hauländer – nicht jeder war ihnen freundlich gesinnt – 1798

Unruhstadt - Markt mit Rathaus, Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Coat_of_Arms_of_the_Polish-Lithuanian_Commonwealth.svg

Unruhstadt – Markt mit Rathaus, Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Coat_of_Arms_of_the_Polish-Lithuanian_Commonwealth.svg

Dieser hier veröffentlichte Aufsatz des Justizkommisssarius Stenger aus Unruhstadt  wurde im Jahr 1798 von diesem verfasst und publiziert.

Der Leser mag sich selbst ein Bild über die Ausführungen machen. Dieses unter dem Aspekt der ungeordneten Rechtslage jener Zeit, der Jahre von Beginn bis Ende 1700, und dem immer wiederkehrenden Versuch freie Bauern in die Abhängigkeit der Obrigkeit zu pressen; und vor allem mit dem Wissen über Hauländer, welches in zahlreichen unserer Beiträge schon zusammen getragen wurde.

Als zeitlichen Rahmen schieben wir hier nochmals ein, dass die Hauländer um 1700 nachweislich im Tomischler Hauland siedelten,  vermutet wird ein noch weiter zurückliegender Ansiedlungszeitraum, jedoch sind dazu noch nicht alle Quellen endgültig ausgewertet. Die Teilungen Polens (1772,1793,1795) die eine Zugehörigkeit zu Preußen brachten, waren noch in weiter Ferne.

Die Ansiedlung hatte auf Grundlage vertraglicher Vereinbarungen, den sogenannten Privilegien,  stattgefunden, die in jener Zeit für beide Parteien, zwischen denen Sie geschlossen wurde, als akzeptabel angesehen worden sein müssen.

Ganz grob umrissen war einem Hauländer wichtig:

  • seine Nahrung, wie man einen Anwesen gleich welcher Größe und Art in jener Zeit nannte, die ihm und seiner Familie sowie auch seinem Vieh ein Auskommen gab,
  • seine freie Glaubensausübung und
  • letztlich seine Kinder, die die Familiendynastie fortführen sollten; für letztere wurden von Anbeginn an, in allen geschlossenen Privilegien die Einrichtung von Schulen eingefordert.

Im Gegenzug war er bereit seine Arbeitskraft einzubringen und zu einem späteren Zeitpunkt, meist nach 7 Jahren, auch Steuern  und Abgaben auf das von ihm Erwirtschaftete zu zahlen.

Es finden sich auch in der Chronik  zum  100 jährigen Bestehen der evgl. Kirche Friedenhorst/Jastremske aus dem Jahr 1897  in welcher die Aufzeichnungen des Lehrers Schöfenius wiedergegeben wurden, Erwähnungen, das nicht jeder sich an die Vertragsvereinbarungen hielt.

Einmal heißt es:

Königreich Polen (1025-1659), Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Coat_of_Arms_of_the_Polish_Crown.svg

Königreich Polen (1025-1659), Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Coat_of_Arms_of_the_Polish_Crown.svg

“ Die Eigentumsrechte der Holländer wurden willkürlich eingeschränkt. Mancher Punkt, der im Privilegium zweideutig gefasst war, wurde ganz zum Vorteile der Herrschaft ausgelegt und Einschränkungen hinzugefügt. Bauholz von seinem Lande durfte der Holländer nur mit Erlaubnis der Herrschaft verkaufen. Von Martini bis Klaibetag durfte der herrschaftliche Schäfer auf den Saaten der Holländer weiden. Wenn keine Erben vorhanden waren, fiel die Wirtschaft an den Gutsherrn zurück, welcher auch einen schlechten Wirt von Haus und Hof treiben durfte. Was endlich die Erwerbsverhältnisse betrifft, so wurden diese den Ansiedlern immer mehr erschwert und belastet.“

Nur wenige Sätze später findet sich dann auch folgende Aussage:

Kurz die Herrschaft dachte: Je mehr das Land durch die Arbeit der Holländer im Werte gestiegen ist, desto mehr muss es der Herrschaft einbringen. Auf diese Weise wären die Ansiedler nie zum Wohlstände gelang, wie sehr sie sich auch mühten und einschränkten, wenn sich nicht Gott ihrer erbarmt hätte. Er gedachte seines von der Welt vergessenen evangelischen Häufleins in Polen, welches seinen Glauben treu bewahrt hatte. Er schickte ihnen, ohne dass sie es ahnten oder etwas dazu taten, einen Erlöser, der sie aus dem Diensthause befreite, König Friedrich Wilhelm II. von Preußen vereinigte im Jahre 1793 den Rest des Großherzogtums Posen, wozu unsere Gegend gehörte, nebst anderen polnischen Gebieten unter dem Namen „Südpreußen” mit dem Königsreiche Preußen.“

Es ist also nicht verwunderlich, dass die „Hauländer“, nachdem sie im Gebiet Südpreußens ansässig wurden, versuchten die ursprünglich in den Privilegien vereinbarten Vertragsverhältnisse wieder herzustellen, und die ihnen im Laufe der Jahre aufgezwungenen Repressalien zu diesen wieder rückgängig zu machen. Sie reichten Klagen bei den nunmehr zuständigen preußischen Gerichten ein um zu ihrem Recht zu kommen.

Im Jahr 1798, die Teilungen Polen waren längstens vollzogen, war zumindest der im preußischem Staatsdienst tätige Richter Stenger anderer Meinung als die Hauländer. Er erkannte die vollumfängliche Gültigkeit der Privilegien gegenüber den Hauländern nicht an und folgte sogar der Auffassung, dass die seitens des polnischen Adels „erpressten“ Mehrabgaben rechtens in der Erhebung gewesen seien. Richter Stenger schien dem Standesdenken jener Zeit tief verwurzelt zu sein: ein Adeliger stand noch über einem Beamten des preußischen Staates, aber dieser doch weit, weit über einem Bauern; und letzerer habe sich unterzuordnen und zu gehorchen.

Dem „Hauländer“ blieb also nichts anderes, als „stur und starrköpfig“, wie es dann genannt wurde, durch langjährige Prozesse, auf Einhaltung der Vertragsvereinbarungen zu bestehen und diese dafür heranzuziehen um zu belegen, was seine Rechte und Pflichten waren.  Dieses Beharren auf das ihm zustehende Recht führte jedoch auch dazu, das es zu offenen Anfeindungen gegenüber den sich eigentlich im Recht befindenden „Hauländern“ seitens der Obrigkeit kam. Richter Stenger bringt seine Abneigung, seinen Haß gegenüber  dem freien Stand der Bauern in seinem Artikel „Hauländer in Südpreußen“ zum Ausdruck. Heute würde er vermutlich wegen Befangenheit seines Amtes entbunden.

Dr. Clemens Brandenburger (2): verfasste dazu im Jahr 1903 folgende Einschätzung: „…. Richtig ist allerdings, dass viele Staatsdiener, Richter sowohl wie Verwaltungsbeamte, sich zu Ungerechtigkeiten gegen die Bauern hinreissen liessen, einerseits, um sich den polnischen Edelleuten gefällig zu erweisen, andererseits aus Ärger über die häufigen und langwierigen Prozesse, durch die sie aus ihrem gewohnten Schlendrian herausgerissen wurden. Typisch für diese Art von Leuten ist der Kronzeuge Meisners, Stenger-Unruhstadt, der in den „Jahrbüchern der preussischen Monarchie“, Jahrgang 1798 II einen Aufsatz „Von den Hauländern in Südpreussen“ veröffentlichte. Da dieser Aufsatz neben den zahlreichen Anerkennungen, die den Hauländern zu jener Zeit von anderen Beamten zu Teil wurden, voll des unfreiwilligen Lobes von einer ihnen feindlich gesinnten Seite ist ….“

Nachfolgend nun der Artikel in seinem Original Wortlaut:

„Von den Hauländern in Südpreussen.

Polen-Litauen (1569-1795), Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Coat_of_Arms_of_the_Polish-Lithuanian_Commonwealth.svg

Polen-Litauen (1569-1795), Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Coat_of_Arms_of_the_Polish-Lithuanian_Commonwealth.svg

An Wichtigkeit und Interesse fehlt es dem Gegenstande dieser Abhandlung gewiss nicht. Mögte es mir nur gelingen, in ein solches Licht zu stellen, dass er auch selbst der Aufmerksamkeit unsers guten und weisen Königs nicht entginge.

Die Hauländer machen in Südpreussen einen sehr wichtigen Theil der Einwohner aus; sie weichen in ihren Sitten und Character von den eigentlichen Südpreussen sehr ab; sie haben auf die Stimmung, besonders des Adels in der Provinz, nach der Preussischen Besiznahme einen sehr grossen Einfluss gehabt; kurz, es ist werth, von ihnen mehr zu sagen.

In dem … Werke – Topographisch – Statistisch – Geographisches Musterbuch der sämmtlichen Preussischen Staaten u.w.w. erster Theil, A-bla, Halle 1796 heisst es:

Hauland, in der gemeinen Mundart Holand oder Holland; polnisch Oledry, bedeutet ein urbares Feld, das nur, nachdem erst alles darauf gewachsene Holz abgehauen und dann auf einem Haufen verbrannt war, bebaut werden konnte. Dergleichen Hauländer findet man in Südpreussen sehr viele; sie sind grösstentheils durch eingewanderte Deutsche lutherischer Religion zu Anfang des vorigen Jahrhunderts urbar gemacht, und von ihnen bewohnt. Man bezeichnet sie mit dem Namen Hauländer oder Holänder, und unterscheidet sie von den eigentlichen Unterthanen, welche ursprünglich Pohlen, und katholischer Religion sind.  Unter ihnen hat sich auch die deutsche Sprache erhalten: denn sie vermischen sich durchaus nicht mit jenen, sondern bilden für sich untereinander Gemeinden, ungeachtet sie zerstreut umher, und jeder in der Mitte des ihm zugehörigen, mit einem Zaun eingefassten Landes wohnen. Ganze Distrikte von zwei bis drei Meilen haben sich zum Bau einer Kirche vereinigt, und besolden einen eigenen Geistlichen. Sie sind nicht Leibeigene ihrer Grundherrschaft, sondern haben von dieser das Land erb- und eigenthümlich gekauft, und verzinsen dasselbe.“

Im Ganzen ist der Begriff wohl ziemlich gefasst; aber einige Berichtigungen wird der Herr Verfasser dem Einsender erlauben.

Die Benennung ist so wie der Ursprung dieser Leute richtig angegeben, aber wozu der Zusaz, dass das Holz erst verbrannt werden musste, ehe die Ländereien bebaut werden konnten? Dieses ist so wenig historisch wahr, als ein notwendiger Grund davon abzusehen. Die Hauländereinen sind nicht grösstentheils zu Anfang des vorigen, sondern vielleicht eben so viele schon zu Ende des siebzehnten Jahrhundert etablirt; und ist es ferner nicht genug, sie blos von den katholischen-polnischen Unterthanen zu unterscheiden, so ein charakteristisches Kennzeichen derselben es auch übrigens ist, dass sie keine leibeigene Unterthanen sind.

Viele Hauländereien liegen in ihren einzelnen Etablissements zerstreut umher, viele Hauländer wohnen aber auch in ihren Gehöften neben einander; die wenigsten haben in ganzen Distrikten ihre eigenen Geistlichen, vielmehr sind die meisten in eine Stadtkirche eingepfarrt, und wenn in einem Haulande eine Kirche ist, so ist auch der Grundherr Patron derselben, und von ihm wird das Meiste zur Besoldung des Geistlichen beigetragen, sofern man die Entrichtung der Kurium Stolae nicht Besoldung nennen kann.

Zwar sind die Hauländer nicht Leibeigene, auch nicht einmal Unterthanen, aber in der Zinspflichtigkeit beruht auch nicht mehr ihr einziges Verhältniss gegen ihre Grundherrschaft. das ehemalige Pohlen war in den ältern Zeiten besonders mit Waldungen reichlich versehen, die dem Adel – dieser reichsten und mächtigsten, beinahe einzig etwas geltenden Klasse der Nazion, vorzüglich nur um der Jagd willen werth waren: denn wohn sollte er so viel Holz verkaufen, und wozu es auf eine zwekmässige Art anwenden? Der Bedürfnisse waren so viele nicht; und zur Befriedigung der vorhandenen waren seine Besizzungen und anderweitige Erwerbsqurllen hinreichend. Mit dem Wachsthum jener mussten jedoch diese immer kärglicher werden; leicht ward das Mittel gefunden, ohne eigene grosse Mühwaltung und Kosten jährlich eine beträchtliche baare Revenüe zu gewinnen: — man etablirte Hauländereien, d. h. man räumte den Antretungslustigen Flekke Waldungen ein, die sie sich urbar machen, bebauen und dann nach Verlauf einer gewissen Anzahl von Freijahren (gewöhnlich sieben) mit einer jährlichen Geldabgabe (von der Hufe Culmisch Maass mehrentheils zehn bis zwölf Thaler) verzinsen mussten. Darüber erhielten dann die Annehmer für sich, ihre Erben und Nachfolger ein sogenanntes Privilegium; worin ihnen ihre Ländereien erb- und eigenthümlich verschrieben, und sie selbst für dienstfreie Leute erklärt wurden. Gewöhnlich wird ihnen in diesen Privilegien auch frei Brennholz versprochen, wofür sie in der Regel jährlich nur zwei Scheffel Hafer abgeben, und wenn man dazu nimmt, dass sie entweder gar kein, oder ein äussert unbeträchtliches Grundgeld (Kaufprezium) bezahlen, so ist nicht zu leugnen, dass sie auf eine vortheilhafte Art zu nicht selten sehr beträchtlichen Besizzungen kamen.

Freilich kostete die Urbarmachung der Ländereien, die Erbauung der nöthigen Gebäude keine geringe Mühe, aber dafür wurden sie durch die Freijahre entschädigt. Nehmen wir auf die damalige Lage und Verfassung der Gutsbesizzer, überhaupt der pohlnischen Edelleute als Guthsbesizzer, nicht Rüksicht, so können wir uns nicht genug wundern, wie sie so viel gegen so wenig hingeben konnten. Nach dem damaligen Preise des Holzes liess sich für das freie Brennholz von einer Hufe jährlich nicht füglich mehr als zwei Scheffel Hafer (verstehe sich gross Maass) verlangen, und eben so wenig eine höhere baare Geldausgabe; den zwölf Thaler waren in jenen Zeiten gewiss so viel werth, als heute dreissig Thaler sind. Dienest ? — wozu sollte der Edelmann sie gebrauchen? die äussert eingeschränkt und unvollkommen betriebene Landwirthschaft brauchte damals der Dienst nicht mehrere, als der leieigene pohlnische Bauer gewährt, der an den meisten Orten täglich mit doppeltem Gespann zu Hofe gehen muss.

Auf die Verbesserung der Wirthschaft hatte der Guthsbesizzer nun fürs erste um so weniger dringende Veranlassung zu denken, da die Hauländer ihm baar Geld einbrachten.

Fleiss und Industrie waren Lezterm durchaus nothwendig, der gemeine Pohle damals aber dazu nicht aufgelegt: daher die ersten Hauländer auch alle deutschen Ursprungs sind, jedoch gewiss nicht, so allgemein auch diese Vermuthung ist, zum grössten Theil, von Religionsdruk verfolgt, aus ihrem deutschen Vaterlande vertrieben. Eher glaube ich, darf man den Grund Ihrer Auswanderungen theils in Neuerungssucht, theils in lokkenden Einladungen suchen.

Der bessere Theil der deutschen Nazion verliess mit den Vorfahren unsrer jezzigen Hauländer sein Vaterland gewiss nicht; denn mögten wir auch weiter unten Gründe auffinden, warum sie schlechter geworden, so lässt sich doch ihre jezzige Verderbtheit nicht wohl erklären, wenn sie sonst nur gute Sitten und Charakter mitbrachten. — Fleiss und Industrie, als Kinder der Noth, waren gewiss ihre einzige Mitgift: mögten sie diese nur wenigstens ganz erhalten haben. (Ich darf wohl nicht erst an das: keine Rege ohne Ausnahme! erinnern. Meine eigene Erfahrung hat mich Hauländer kennen gelehrt, die sich durch Kopf und Herz gleich empfehlenswerth machten.).

Der Hauländer ist nicht einfältig, aber auch nichts weniger, als klug: er ist verschmitzt, wenn er einen Angriff befürchtet, und klebt so an alten Vorurtheilen und Gewohnheiten, dass er seinen offenbaren Vortheil nicht sieht, den triftigsten Vorstellungen kein Gehör giebt, weil angeborne Furcht gegen alles, was neu ist, ihn taub macht. Er ist äusserst misstrauisch: der Mann traut seinem Webe nicht, der Vater nicht dem Kinde, aber alle vereinigen sich, wenn es auf  Misstrauen gegen den Herren oder gegen den Vorgesezten überhaupt ankommt. Er ist äusserst halsstarrig,m wiedersezlich und — undienstfertig: thut nichts gern was er nicht thun muss; er hat endlich — keine Religion.

Ich würde diese harte Beschuldigungen nicht niedergeschrieben haben, wenn ich einerseits nicht von der Wahrheit derselben überzeugt, und andererseits eben so zur Entschuldigung der Leute bereit wäre.

Die Teilungen Polens, Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Partitions_of_Poland_german.png

Die Teilungen Polens, Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Partitions_of_Poland_german.png

Vorzüglich nach der preussischen Besiznahme hatte der Geschäftsmann, ganz insbesondere der Richter in der Provinz, viel Gelegenheit, diese Hauländer von der geschilderten Seite kennen zu lernen. Wir haben bereits die Privilegien und ihres Hauptinhalts erwähnt. Dieser war ganz der Zeit angemessen, zu der sie gegeben wurden; aber tempora mutantur etc.  (nos et mutamur in illis, lateinisch für: „Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns in ihnen“.) So gieng es auch in Polen. Die Guthsbesizzer sahen sich bald, durch Noth gedrungen, und durch gute Beispiel aus der Nachbarschaft aufgemuntert, veranlasst, auf Erweiterung und Veredlung ihrer Wirthschaft zu denken: die Unterthanen-Dienste wollten nicht mehr hinreichen, Lohnarbeiter waren entweder nicht zu bekommen, oder zu kostspielig. — Mann sprach die Hauländer um Hülfe an, sie thaten es anfangs auf Bitte, und am Ende ward freilich ein Recht daraus, den Hauländern blieb nichts übrig, als sich zu gratuliren, wenn nur nicht zu viel von ihnen verlangt werde. Ein Theil Polens ward Preussisch. – Von den Kanzeln und überall publizirte man, dass ein jeder bei seinen Rechten und Privilegien geschüzt werden solle. Dies erhizte die Köpfe der Hauländer auf einmal zu schnell; in Strömen eilten sie den Gerichtshöfen zu, ihr Privilegium, wohl eingepakt, auf der Brust. Dies Nachsuchen rechtlicher Hülfe — wer könnte tadeln? aber damit verband nun der Hauländer eine so unwiderlegbare Renitenz, dass er nicht nur in der Meinung, es sei schon genug sein Privilegium blos vorgezeigt zu haben, plözlich zu dienen aufhörte, sonder auch oft durch alle nur mögliche Vorstellungen nicht zu der Überzeugung zu bringen war, und es noch nicht ist, dass er nicht selbst sein eigener Richter seyn, sich nicht selbst sein Recht nehmen könne; nein, er liess lieber zu vierzehn Tagen bis drei Wochen militairische Exekuzion das Seine aufzehren, um dann doch noch wenigstens in die Scheltworte auszubrechen: was ist das für eine Gerichtikeit! wir haben unsere Privilegien, und es wird uns doch nicht geholfen! u.s.w. Sich mit seiner Herrschaft vergleichen, davon ist ihm keine Vorstellung beizubringen: denn statt dass andere vernünftige Menschen es einen Vergleich nennen, wenn der eine Theil etwas nachlässt, und der andere etwas zugiebt, versteht der Hauländer darunter nichts anders, als seinem Privilegio nachlegen.

Die Beantwortung der Frage: ob die Hauländerprivilegien die einzige Norm der Entscheidung der Hauländerprozesse hergeben können und müssen? würde mich theils in ein zu weites Feld führen, theils wäre sie in Praxi überflüssig, da die Verjährung nun auch hier angenommen ist. Aber so viel darf ich bemerken, dass die bejahende Beantwortung jener Frage, wenn sie in allen dergleichen Prozessen eintreten solle, wirklich hart wäre. Einmal sind die Privilegien selten ganz deutlich gefasst, und zweitens, wenn auch nach allen Besizzer der Hauländereien Dienstfreie Leute genannt werden, weit eher zu vermuthen, dass man sie damit von Unterthanen unterscheiden, als von allen und jeden Diensten für Zeit und Ewigkeit entbinden wollte. Ich sage, zu vermuthen; denn ich höre den Einwand: und welche Dienst sind denn die Hauländer zu thun verbunden, da sie zu gar keinen schriftlichen verpflichtet sind? Doch wohl nicht zu ungemessnen? Lassen wir dies aber jetzt — hoffend zu unserm vortrefflichen Regenten, dass er für die grosse Disharmonie, die arlich durch kein Revisionserkenntniss in völlige Harmonie umgestimmt werden kann, einen glüklichen Mittelweg finden wird — kehren wir zur Person unsrer Hauländer zurük. —

Sie waren und sind, sagte ich, gar nicht zu überzeugen, dass sie ein rechtskräftiges Erkenntniss abwarten müssen; und da es denn auch nicht an unberufnen Dienern weltlichen und geistlichen Standes fehlt, die ihnen zu Munde redeten, so liessen sie es beinah jedesmal auf das Äusserste ankommen, ohne zwischen guten und bösen Herrschaft einen Unterschied zu machen. Es steht mir besonders ein Beispiel lebhaft vor, wo zwei grosse Hauländer-Gemeinen ihren Herrn verklagten, die nur zehn Tage jährlich dienten, recht wohlhabend sind, und selbst eingestehen müssen, dass sie den besten Herrn von der Welt haben. Dennoch verfolgen sie ihn mit einer ausgesuchten Hartnäkkigkeit, stellten sich blutarm, und dichteten ihm Handlungen an, deren nur der ganz böse und gemein Tirann fähig gewesen seyn würde. —

Überhaupt pflegt der Hauländer sich gern recht arm und dürftig zu nennen und zu stellen; er ist im Ganzen zwar nicht reich, aber auch nichts weniger als arm. Jedoch seine Furcht und sein Misstrauen lassen ihn überall Gefahren ahnden. Dazu kommt seine grosse Geldliebe, ich sage absichtlich nicht Geiz; denn geizig möchte ich ihn nicht nennen, wenigstens da nicht, wo es auf Befriedigung seines Stolzes und seiner Eigenliebe ankommt. Mögte es Gemeinsinn seyn, aber ich muss es leider Gemeindestolz nenn, der diese Leute auszeichnet. Man sehe einmal eine solche Hauländer-Gemeine unter dem Präsidio ihres Schulzen und ihrer Gerichtsleute, — ich weiss nicht gleich, womit ich diese Scene am schiklichsten vergleichen könnte! Gottlob! dass noch Nüchternheit so ziemlich unter ihnen herrschend ist, ich meine, dass sie dem Trunke nicht ergeben sind: denn übrigens lässt der Hauländer sich am guten Leben nichts abgehen, und die vielen Jahrmärkte in den vielen kleine Städten Südpreussens tragen vorzüglich dazu bei, ihn zum Wohlleben geneigt zu machen, und seinen sinnlichen Geschmak zu verfeinern.

 

Im Nahmen Gottes – Das Privilegium – Quelle: Archiwum Państwowe w Poznaniu – Fond: 1347 “Cechy miasta Nowy Tomyśl” [die Innungen von der Stadt Neutomischel] sign. 1 “C. August II, król polski potwierdza cechowi młynarzy powiatu babimojskiego postanowienia statutowe co potwierdza również Feliks Szołdrski, starosta łęczycki i dziedzic miasta Nowego Tomyśla” http://szukajwarchiwach.pl/53/1347/0/1#tabJednostki

Im Nahmen Gottes – Das Privilegium – Quelle: Archiwum Państwowe w Poznaniu – Fond: 1347 “Cechy miasta Nowy Tomyśl” [die Innungen von der Stadt Neutomischel] sign. 1 “C. August II, król polski potwierdza cechowi młynarzy powiatu babimojskiego postanowienia statutowe co potwierdza również Feliks Szołdrski, starosta łęczycki i dziedzic miasta Nowego Tomyśla”
http://szukajwarchiwach.pl/53/1347/0/1#tabJednostki

Die Kirche besucht er, wenn er nicht zu weit davon entfernt wohnt, fleissig genug; aber dies ist auch die einzige Art seines Gottesdienste, und, so segnend und heilsam sie sonst ist, so ist sie es doch für den Hauländer nicht, weil er nicht vorbereitet genug das Gotteshaus besucht. Wir kommen hierauf noch einmal zurük.

Woher nun diese Verderbtheit der Sitten und des Charakters, diese schlechte Ausbildung des Verstande? Allgemein können wir den Grund dieser niederschlagenden Erscheinungen in der Staatsverfassung des ehemaligen Polens suchen.

Der Adel war der einzige Stand, dem der Weg zur Bildung offen stand. War er auch dem Bürger nicht gänzlich verschlossen, besonders in den königlichen und Grenzstädten, so konnte er doch, wenigstens in adlichen Städten, nur dann für sich und seine Mitbürger heilsamen Beracht davon machen, wenn und so lange der Grundherr nicht dawider war: denn der Adel war auch zugleich der einzige Siz und Stimme habende Stand der Nation. Lässt sich auch in Hinsicht des Verhältnisses der Guths-Einwohner und Unterthanen gegen die Guths-Herrschaft der Justizmangel nicht völlig beweisen, so ist es doch auch etwas voreilig, wenn dieser in den Hauländerprocessen von den Klägern als notorisch vorausgesezt wirde; es ist nicht zu bezweifeln, dass es den Guthseinsassen ehemals sehr schwer war, gegen ihre Herrschaft im Wege Rechtens etwas durchzusezzen; wenn gleich der Edelmann nicht selten hart gegen seine Unterthanen war, so war er es doch schon aus Klugheit gegen seinen Leibeigenen; seinen leibeigenen Bauer drükken, hiess das Gewehr gegen sich selbst zu richten, denn, ward er ruinirt, so musste ja der Herr ihm wieder aufhelfen. Ganz eine andere Bewandniss hatte es mit den erb- und eigenthümlichen Hauländern. Von ihnen liess sich theils noch etwas erheben, theils durfte man vor dem Ersaz sich nicht fürchten, und so schwieg denn freylich bisweilen die Stimme der Menschheit unterdrükt von Eigennuz, so war denn hie und da das gegebene Versprechen vergessen, und im dritten Jahre schon als Schuldigkeit verlangt, was man im ersten nur gebeten, im zweiten gehoft und schon befohlen hatte. Dergleichen böse Beispiele von oben herab so selten sie auch seyn mochten, mussten einen eben so bösen Einfluss auf die Unterdrükten haben, sie wurden zurükhaltend, verstokt – boshaft – und selbst auch diejenigen wurden mistrauisch, denen das Gluiik zu Theil ward, billig und edeldenkende Grundherrn zu besizzen, welches – zur Ehre des ehemaligen polnischen Adels sei es gesagt –  bei weitem der grössere Theil ehemals war, und es noch weit mehr jezt ist. —

Unbekannt mit andern Wegen oder unvermögend, sie einzuschlagen, nahm der Hauländer zur Heuchelei und niedrigen Schmeichelei seine Zuflucht, ward immer schlechter, und machte immer schlechter! So lässt es sich jezt auch erklären, warum aber die gute Herrschaft mit der Bosheit ihrer Hauländer kämpfen muss, entweder ihre Vorfahren verdarben ihnen das Spiel oder sie müssen als Unschuldige mit den Schuldigen leiden. Des Staats Ober-Aufsicht fehlte, die Glieder desselben waren sich zu sehr selbst überlassen. Die Aufsicht der Guthsherren über ihre Unterthanen, war oft fehlerhaft gegen den Wunsch und Willen der ersteren. Viele Gutsherrn, bald durch weitläufige Besizzungen, bald durch Ämter, bald durch ihren Aufenthalt in der Hauptstadt zerstreut, überliessen das Gouvernement ihren Amtleuten, wodurch es denn oft schlechten Händen anvertraut wurde, blieb auch die Appellation an den Grundherrn offen, so trat doch nur Willkühr an die Stelle des Gesezzes, denn bekanntlich fehlte es in vorigen Zeiten beinahe gänzlich an gesezlichen Vorschriften für das platte Land. Jeder wird von selbst die nachtheiligen Folgen solcher Verhältnisse auf den Charakter der zu richtenden und der gerichtete  einsehen. Statt Prozesse zu vermindern, ward dadurch Prozessucht vielmehr angefacht; statt das Eigenthum zu sichern, ward vielmehr der Weg zur Stöhrung derselben gebahnt.

Das Verhältniss gegen ihren Grundherrn abgerechnet, waren die Hauländer ganz freie und unabhängige Leute, leider nur zu frei, zu unabhängig! Ob sie und ihre Kinder zur rechten Zeit, und lange genug zum Unterricht bei dem Geistlichen schikten, dafür sorgte Niemand, wenn der Herr es nicht that. Der Geistliche hatte bei dem besten Willen nicht die nöthigen Zwangsmittel in Händen, und der gemeine Mann, besonders auch der Hauländer, will zum Guten getrieben seyn.

Viele Hauländereien waren nicht einmal eingepfarrt, sie hielten sich, zu welcher Kirche ihnen beliebt, bald zu dieser bald zu jener. Trafen sie einen Ort, wo, wie das an mehreren der unglükliche Falle ist, am Sonntage Markt war, so nahmen sie das Geräusch der Welt entweder mit in die Kirche, oder die Hoffnung, diesen und jenen Gevatter draussen zu sehen, störte drinnen ihre Aufmerksamkeit. Ihr liebster und gewöhnlicher Prediger, der Redner aller Gelegenheits-Reden, war der Vorleser (Küster) im Haulande selbst. Dieser führte die Begräbnisse auf, hielt seine Reden beim Grabe und in der Schule — ein Schneider, Schuhmacher und dergleichen von Profession, war der Lehrer der Jugend auf ein paar Stunden in den Wintertagen. Wer seine Kinder schikken wollte, konnte es thun, aber auch eben so füglich unterlassen, wozu die mehrsten geneigter waren, da bei ihrer oftmals weiten Entfernung von der Schule solches für sie zu lästig war.

Bei der Annahme eines Schulmeisters, wozu gewöhnlich Handwerke aus den Städten, die hier ihr Brodt nicht mehr fanden, sich meldeten und gewählt wurden, ohne eine Prüfung ausstehen zu müssen, sah man mehr darauf, ob er so viel schreiben könne, die Kauf- und Verschreibungs-Brief aufzunehmen — denn die Vorleser waren die Actuarien und Notarien der Gemeinden — als auf andere nüzliche Kenntnisse und Methode, und ein solcher Schulhalter musste denn auch stets den Winker der Hauländer gehorchen, wenn er nicht in seinen Revenüen verkürzt und wohl gar abgesezt seyn wollte.

Ich kenne einen sehr rechtschaffenen Schulhalter, der neuerlich resignirte, und mir mit Thränen gestand, dass er lieber die S… hüten wolle, als länger Hauländer-Schulhalter seyn. —

So war die Lage der Dinge, als es hier preussisch ward. Allerdings ist mehreren der eben aufgeführten Mängeln, durch die Einführung der preussischen Verfassung, wenn auch noch nicht ganz abgeholfen, doch der Weg zur Abhelfung derselben gebahnt. Der Guthseinsasse weiss wohin er gehen soll, wenn er sich bedrükt glaubt; er weiss wohin er sich zu wenden hat, wenn sein Nachbar, ihm Fallstrikke legt, ihm seine Ehre, sein Eigenthum angreift; er hat Gelegenheit und seinen Kräften angemessne Mittel, die Gesezze, so weit sie auf ihn anwendbar sind, kennen zu lernen; für die gehörigen und zwekmässigen Einpfarrungen wird nach und nach gesorgt, die Geistlichen finden bei ihren vernünftigen Anträgen hinreichende Unterstüzzung: aber dennoch bleiben dem Patrioten noch manche Wünsche übrig, die er schon jezt realisirt sehen, von einer künftigen Generation nicht erst erwarten mögte.

Nur einen kann ich jezt besondesr in Anregung bringen, die Coupirung der Hauländer-Dienst- und Prästations-Prozesse. Nur der Weg dürfte der beste seyn, der die etwa vorkommende Härte des Grundherrn wieder gut machte, und zugleich das Vermögen, oder vielmehr einen beträchtlichen Theil des Vermögens des guten Grundherrn nicht dem Ausgange eines so mislichen Prozesses Preis gäbe. Sind auch wirklich schon viele Prozesse rechtskräftig entschieden, so ist es doch noch Zeit genug. Denn der noch nicht entschiedenen nicht zu gedenken, denen auf jenem Wege noch ausgebeugt werden könnte, so wird es, so lange nicht Urbarien (Verzeichnis über Besitzrechte einer Grundherrschaft und zu erbringende Leistungen ihrer Grunduntertanen)  errichtet sind, nie an Gelegenheiit zu gegenseitigen Chikanen fehlen. Verlohr der böse Herr seinen Prozess, wehe seinen Hauländern! verlohr ihn der gute Herr; — er wird Entschädigung wünschen, und durch kein Erkenntniss von seinem Unrecht überzeugt werden. Gewann der Grundherr — o ! der Hauländer ist von der Grundveste seines Privilegii zu sehr versichert; als dass irgend etwas ihm diese angebohrne Lieblingsidee zu entreissen vermögte!

Unruhstadt.                                                      Stenger“

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  • Quellen:
  • (1) Artikel übernommen aus: Südpreussische Monatschrift – Ersten Bandes sechstes Stük. – Jahrgang 1802 November – http://www.wbc.poznan.pl/dlibra
  • (2) Das Hauländer Dorf Goldau bei Posen – Dr. Clemens Brandenburger – Seite 36 –  Zeitschrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen 1903 – https://archive.org/stream/zeitschrift03posegoog#page/n49/mode/2up/search/stenger