Die Wasserversorgung, die Gewerbebetriebe und der Einfluss auf die Gesundheit – 1904

Panorama-Ansicht Neutomischel - Ansichtskarte aus der  Sammlung A. Kraft

Panorama-Ansicht Neutomischel – Ansichtskarte aus der Sammlung A. Kraft

Dieser Beitrag befasst sich wiederum, wie auch schon die vorhergehenden, Schädliches Klima und  Lebensumstände,   mit der Beschreibung der Stadt Neutomischel im Jahr 1904 aus Sicht des Kreisarztes Dr. Buddee. Es war die Zeit in der durch mehr Hygiene, Ordnung und Sauberkeit das Leben der Menschen verbessert werden sollte.

Dr. Buddee hatte seine Aufzeichnungen begonnen mit dem Satz:

Die Stadt Neutomischel zeichnet sich … vor vielen anderen Städten der Provinz durch Ordnung und Sauberkeit aus

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Rammbrunnen oder auch Abessinierbrunnen - Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Rammbrunnen

Rammbrunnen oder auch Abessinierbrunnen – Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Rammbrunnen

Dr. Buddee hatte notiert, dass die Wasserversorgung der Ortschaft durch Brunnen, von denen 11 etwa öffentliche Brunnen waren, stattfand. Er berichtete: Dieselben sind teils Abessinier teils mit Cement gemauerte Kesselbrunnen. Die Abessinier liefern zum größten Teile ein so stark eisenhaltiges Wasser, das dasselbe nicht getrunken werden kann.

Der Name Abessinierbrunnen soll lt. Wikipedia auf deren Nutzung zur Trinkwasserversorgung  der Truppen im Feldzug der Engländer gegen Abessinien im Jahr 1868 herrühren. Weiter heißt es dort: Der Rammbrunnen besteht aus einem Stahlrohr (3), welches an seinem unteren Ende mit einer Rammspitze (1) und mit einem Rammbrunnenfilter mit Schlitzen oder Löchern (2) versehen ist. Er wird durch Rammen oder Einschlagen bis auf die wasserführende Schicht in den Boden getrieben. Am oberen Ende der Stahlrohre befindet sich über der Erde ein Rohr (4) mit Anschlussstutzen für eine Handpumpe oder elektrische Kreiselpumpe zur Wasserentnahme.

Bei Erstellung des Berichtes gab es noch keine zentralen Leitungen, lediglich das Kreisständehaus hatte eine eigene Wasserleitung eingerichtet. Ein Problem war darin gesehen worden, dass das Grundwasser bei seinem höchsten Stand bis auf nur 1 Meter unter der Oberfläche anstieg.

Letztlich wurde das Neutomischeler Wasserwerk allerdings erst 10 Jahre nach der Verfassung des Berichtes zum  Januar 1914 als betriebsbereit aus der Bauphase an die Stadt übergeben.

Als öffentlicher Wasserlauf, wurde der die Stadt an der Westseite umziehende Landgraben, der als Entwässerungskanal diente, angesehen derselbe führte im Sommer sehr wenig Wasser. Sein Strom war dann träge.  Bezüglich des Zustandes desselben, wurde festgehalten, dass eine Reihe von Grundstücken und Höfen hart an den Kanal stießen. Dabei fand trotz aller polizeilichen Verordnungen eine Verunreinigung oft genug statt. Am Bedenklichsten waren die von dem Fleischer Schmidt’schen Hofe ausgehenden Verunreinigungen, da dieselben fäulnisfähige Stoffe in größerer Menge enthielten und die Entwicklung von Fäulnis durch den langsamen Strom begünstigt wurde.

Dr. Buddee verwies daher darauf, dass  mit besonderer Strenge auf Reinlichkeit der am Graben liegenden Gehöfte, namentlich des Schmidt’schen gehalten werden sollte.

Im Abschnitt der sich mit den  Nahrungs- und Genußmitteln befasste, beantwortete der Kreisarzt die Frage nach einer Kontrolle dieser, insbesondere des Verkehrs mit Milch dahingehend, dass die  Nahrungsmitteln gelegentlich chemisch untersucht wurden; die Milch vermittelst des Bischof’schen Milchprüfers von dem damit eingeübten Polizeibeamten. Untersuchungsanstalten diesbzgl. bestanden in Neutomischel in jener Zeit nicht.

Fleischer-Innungszeichen - Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fleischer_Innungszeichen_by.jpg

Fleischer-Innungszeichen – Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fleischer_Innungszeichen_by.jpg

1903/1904 bestanden in der Stadt nur private Schlachthäuser; fast alle Schlächter besaßen solche. Im einzelnen ist dazu im Bericht zu finden:

  • Im Schlachthause von Weinert wird Hopfen aufbewahrt, auf dem Hofe davor finden sich frische Blutspuren.
  • Der Fleischer Singer hat ein Schlachthaus in Benutzung, ohne dass sein Gesuch mir zur Prüfung vorgelegen hätte.
  • Aus dem Kupczyk’schen Schlachthause führt eine unvorschriftsmäßige Rinne direkt auf den Hof in den Rinnstein, in welchem noch 20 Meter weit blutige Flüssigkeit bemerkt wird. In der Senkgrube ist kein frisches Blutwasser zu sehen.
  • Bei den meisten Schlächtern werden die Senkgruben an den Schlachthäusern viel zu selten geleert.
  • Der Hof des Fleischers Gust. Schmidt ist sehr verunreinigt, es stinkt sehr auf dem Hofe. Die Grube am Schlachthaus ist schon sehr lange nicht geleert, die Abortgrube ist schlecht gedeckt, der Hof nur zum Teil gepflastert.

Es findet sich keine Bemerkung dahingehend, dass die Erzeugnisse nicht in Ordnung gewesen waren.

Dr. Buddee hielt fest, das am Ort eine Selterswasserfabrik ansässig gewesen war. Dasselbe wurde aus destilliertem Wasser und flüssiger Kohlensäure hergestellt. Das Wasser wurde an Ort und Stelle destilliert.

Bestrafungen bzgl. der festgestellten Mißstände hatten  nicht stattgefunden. Ebenso waren in der Berichtszeit Gesundheitsschädigungen durch verfälschte oder verdorbene Nahrungsmittel u.s.w. nicht bekannt geworden.

Als weitere gewerbliche Betriebe und deren gesundheitliche Folgen für die Arbeiter, Nachbarschaft u.s.w. erwähnte der Arzt:

  • vornehmlich die Hopfenschwefeldarren, die sich in großer Zahl mitten in der Stadt befinden, die Schwefeldünste, die besonders des Nachts im Sommer sehr unangenehm von den Bewohnern der Stadt empfunden werden und bei vielen die so nötige Lufterneuerung in den Wohnungen unmöglich machen, haben auch oft bei den Arbeitern, die mit dem Schwefeln beschäftigt sind, Störungen der Gesundheit zu Folge
  • In der neugebauten Gasanstalt ist die Beschäftigung mit der Reinigungsmasse wegen der entströmenden Schwefelwasserstoffgase nicht gefahrlos.
  • Eine Cigarrenfabrik (von Fechner) in der mehrere Arbeiter beschäftigt werden. Schwächliche Personen erkrankten hier leicht an den Atmungsorganen.
  • Eine Bild- resp. Steinhauerei von Kurtz aus welcher Arbeiter mehrfach an chronischen Lungenkatarrh  erkrankt sind.

Und letztlich bemängelte er, dass

  • in den meisten Gast und Schankwirtschaften die Vorschriften über Spülung und Reinhaltung der Trinkgefäße nicht aushingen, dementsprechend wurden diese Vorschriften auch nicht überall genügend beachtet.

An dieser Stellen möchten wir aus der Einleitung wiederholen:

Die Stadt Neutomischel zeichnet sich … vor vielen anderen Städten der Provinz durch Ordnung und Sauberkeit aus

*** Fortsetzung folgt***

Quelle: Staatsarchiv Poznan – Stadtakten/Akta Miasta Nowy Tomysl 4385/0195 Ortsbesichtigung