Aus der Kirchenchronik von Hammer Boruy: Der Turmbau – 1900

 

114 Jahre Kirchturm Boruy - erbaut im Jahr 1900 - EA

114 Jahre Kirchturm Boruy – erbaut im Jahr 1900 – EA

„Kirchenturmbau und Glockengeläute

Wenn die Eingepfarrten die Kirche mit einem Turme versehen, oder wenigstens ein vollständiges Glockengeläute anschaffen wollten, so hätte ich diesem löblichen Verhalten nichts entgegenzusetzen.

Die Kirche kann dazu jedoch aus ihrem Vermögen nur hergeben, was ihr, nachdem die nächsten und eigensten Verbindlichkeiten erfüllt sind, als entbehrlich übrig bleiben möchte.

Nach Maßgabe des von der Königl. Regierung festgestellten Etats, und einem darauf begründeten Überschlage, halte ich etwa 200 Thlr. aus dem damaligen Kirchenvermögen entbehrlich, und willige daher als Patron darein, dass für den Fall, dass die Ausführung eines Turmes, oder doch eines Glockengeläutes, durch die Beiträge der Eingepfarrten oder auf andere Weise zustande zu bringen möglich gemacht werden sollte, dazu Zweihundert Thaler aus dem Kirchenvermögen als Beihilfe entnommen werden möchte.“

So steht es im Patronat Consens für die Einpfarrung des Dorfes Boruy; geschrieben in Berlin den 16. Jun 1835. Diese Summe deckte die Kosten für einen Turmbau aber auch in jener Zeit bei weitem nicht.

An eine „schnelle“ Realisierung war somit nicht zu denken. Das Projekt wurde also aufgeschoben aber stetig weiter verfolgt und nie aufgegeben.

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Bemühungen zur Errichtung eines Turmes seitens des  Pastor Postler während seiner Amtszeit von 1866-1873 in Hammer Boruy, scheiterten  daran, dass es an „Opferfreudigkeit fehlte“.  Sein Nachfolger Pastor Kresse, im Amt von 1873 bis 1880, feierte das 100 jährige Jubiläum des Bestehens der Kirche im Jahr 1877, jedoch scheiterte auch er in der Umsetzung  des Projektes des Turmbaues, dieses Mal lag es , wie es in der Chronik heißt, begründet darin „weil die einflußreichen Personen sich passiv verhielten.“

Die Kirche noch ohne Turm - Postkartenausschnitt aus der Sammlung des Wojtek Szkudlarski

Die Kirche noch ohne Turm – Postkartenausschnitt aus der Sammlung des Wojtek Szkudlarski

Nach über 60 Jahren der ersten Zustimmung „die Kirche mit einem Turme“ zu versehen, ergab sich in den Jahren 1896-1898 die Möglichkeit dieses nun endlich in die Realität umzusetzen. In diesen Jahren erhielt die Gemeinde von dem Brauereibesitzer George Haase aus Breslau eine Schenkung in Höhe von 12.000 Mark. Er stiftete den Betrag aus Pietät gegenüber seinem verstorbenen Vater, welcher die Gegend um Boruy und Kirchplatz sehr geschätzt hatte.

Letztlich wurde per 24. April 1900 durch den Gemeindekirchenrat  der Bau des Turmes ohne Anbauten an den Bauunternehmer C. Doil  aus Unruhstadt für den Preis von  „11.212 Mark und 29 Pfenningen „vergeben. Die Vergabe des Auftrages zu den Treppenbauten zum Preis von „4.723 Mark 11 Pfg.“  erfolgte unter gleichem Datum durch den Baurat Tophof aus Wollstein. Letzteres war notwendig gewesen, da dieser Betrag anteilig aus der Staatskasse zu zahlen gewesen war.

Noch im April 1900 begannen die Arbeitsvorbereitungen inklusive derer zur Anlage des Fundamentes des Turmes. Durch den hohen Grundwasserspiegel war es nur langsam mit den Ausführungen vorangegangen.

Die feierliche Grundsteinlegung fand daher erst per 22. Mai 1900 statt. Pfarrer Bochat hielt anlässlich dieser seine Rede nach  Psalm 118,24 29. Durch ihn wurde auch in dem hohlen Grundstein, er befindet sich rechts vom Haupteingang und trägt die Jahreszahl 1900, eine verkapselte Flasche mit der anlässlich dieses Ereignisses erstellten Urkunde niedergelegt. In ihr heißt es:

„Im Namen des dreieinigen Gottes wurde heute am 22. Mai 1900 unter der gesegneten Regierung des deutschen Kaisers, Wilhelm des Zweiten, König von Preussen und Kaiser von Deutschland, der Grundstein gelegt zum Bau eines Turmes an der evangelischen Kirche zu Kirchplatz Borui. Die Kirche aus kernigem Kieferholz in den Jahren 1776 und 1777 erbaut,   wurde am 1. Juni 1777 eingeweiht. Um die Errichtung des Kirchensystems und den Aufbau der Kirche hat sich damals der Besitzer der Hammer-Boruyschen Güter, Ludwig von Milecki sehr verdient gemacht. Nicht nur einen großen Teil des Bauholzes und 100 Dukaten gab derselbe her, sondern er erwirkte auch, was in damaliger Zeit sehr schwer hielt, die Erlaubnis  zur Erbauung der Kirche und Berufung eines Predigers. Der Consens hierzu wurde von dem Provinzial-Consistorium der Kirchen Augsburgischer unveränderter Confession in Großpolen  in Lissa unter dem 15. Januar 1776 erteilt. Zur Parochie gehören Kirchplatz Borui, Alt Borui, Neu-Borui, Dorf Borui, Hammer, Alt Scharke und Neu Scharke, Cichagora und Bukowiec.

Die Parochie zählt gegenwärtig 3.700 Seelen.

Das Patronat über die Kirche war von Anfang an bis jetzt mit dem Besitze des Rittergutes Hammer verbunden. Da dieses Gut seit 1860 königliche Domaine ist, so ist die preußische Regierung von da ab Patronin der Kirche.

Als Pfarrer haben in der Gemeinde fungiert: 1) Johann Christoph Knispel, 2) Johann Friedrich August Schulze, 3) Robert Adolf Rohrmann, 4) Theodor Gustav Julius Postler, 5) Gustav Adolf Kresse, 6) Schulz und 7) Wilhelm Bochat

Als Kantoren amtierten Gillert, Rau, Neumann, und Buresch

Der lang gehegte Wunsch der Gemeinde nach einem Turme geht nun endlich in Erfüllung, insofern der Brauereibesitzer und Commerzienrat Georg Haase zu Breslau aus Pietät gegen seinen Vater, dem Kirchplatz und Umgegend stets gefallen hat, 12.000 Mark zur Erbauung eines Turmes schenkte und viele Parochien Liebesgaben dazu spendeten. Am 24. Februar 1900 wurde unter 6 Bewerbern dem Bauunternehmen Doil zu Unruhstadt der Zuschlag erteilt vom Gemeindekirchenrat, der sich aus folgenden Personen zusammensetzt:

1) der Vorsitzende Pfarrer Bochat, 2) der Königl. Oberamtmann Busse zu Hammer, 3) der Patronatsvertreter Ferdinand Rausch zu Kirchplatz, 4) der Eigentümer August Stein ibidem. 5) Kaufmann Wilhelm Gierke zu Alt-Borui. 6) Heinrich Fischer zu Alt-Borui. 7) Eigentümer Steinke aus Chichagora. 8) Ortsvorsteher Carl Reschke zu Scharke und 9) Eigentümer Wilhelm Lange aus Neu-Borui“

Die Kirche mit noch deutlich erkennbaren Fachwerk des Kirchenschiffes und dem davor errichteten Turm - Postkartenausschnitt aus der Sammlung des Wojtek Szkudlarski

Die Kirche mit noch deutlich erkennbaren Fachwerk des Kirchenschiffes und dem davor errichteten Turm – Postkartenausschnitt aus der Sammlung des Wojtek Szkudlarski

Beim Bau selbst kam es dann noch zu Verzögerungen da die vorgesehenen Schwiebuser Ziegelsteine nicht geliefert wurden. Erst nachdem die Erlaubnis zur Verwendung von Ziegelsteinen aus Augustowo bei Grätz erteilt worden war, wurde dann mit dem Mauerwerk begonnen. Es ging jedoch langsam voran, da in Augustowo die Ziegelsteine nach und nach gebrannt werden mussten, Vorbereitungen hierzu hatten nicht getroffen werden können, da der Auftrag ja ursprünglich nach Schwiebus vergeben worden war.

Die Zeit des Kirchturmbaues wurde auch genutzt um die Kirche zu renovieren. Im Inneren wurde zum ersten Mal  (diese Aussage wurde nicht präzisiert) das Tonnengewölbe gestrichen. Auch die Emporenbrüstungen, die Pfeiler, der Altar, der Taufstein, die Loge, die ersten Bänke im Schiff, die Buchbretter und Bankansichten sowie sämtliche Türen und Fenster erhielten einen neuen Anstrich. Die Orgel wurde vom Orgelbauer Polzin in Posen für 416 Mark gründlich überholt. Außerdem wurde das Kirchengebäude von innen und außen mit Zementmörtel neu verputzt und das Holz des Fachwerks mit Ölfarbe gestrichen.

Schlussendlich heißt es dann in der Kirchenchronik:

„Nachdem der Turmbau vollendet war, wurde auch ein Blitzableiter angebracht, und die Glocken hinaufgezogen und in dem neuen Glockenstuhl aufgehängt. Die Treppenbauten wurden erst im December vollendet, weil das Mauerwerk teilweise wieder niedergerissen wurde, insofern der Bauunternehmer die Abänderungen nicht beachtet hatte. endlich am III. Advent, den 16. December 1900, mittags 12 Uhr konnte die Turmweihe vorgenommen werden.“

Die Weiherede wurde von Herrn Generalsuperintendent Dr. Hesekiel und die Liturgie von Superintendent Lierse aus Wollstein gehalten.

Außer den Pastoren der Nachbargemeinden nahmen an den Feierlichkeiten auch als Vertreter der Königlichen Regierung Herr Oberregierungsrat Hasenpflug aus Posen, der Landrat des Kreises Hayesson, der Kreisbauinspektor Lottermoser ebenfalls aus Wollstein und der Superintendent Böttcher aus Neutomischel teil. Die Kirche selbst war so von Besuchern überfüllt, dass sämtliche Bänke besetzt waren und auch in allen Gängen die Zuhörer dicht an dicht standen.

Der Spender des Baugeldes Herr  Kommerzienrat Haase zu Breslau war verhindert gewesen an der Turmweihe teilzunehmen, die Gemeinde dankte ihm nach den Feierlichkeiten nochmals per Telegramm für seine außerordentliche Großzügigkeit, die die Realisierung des Turmbaus überhaupt erst ermöglicht hatte.

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Quelle: Kirchenchronik der evangelischen Kirche zu Hammer Boruy – mit der Erlaubnis des Probstes von Boruja Kościelna – Krystjan Grabijas

Parochie des St. Wojciech (Heiliger Adalbert)

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