Es hat ihn gegeben,den Willkommbecher der Müllerinnung (1787-1887)

Bockwindmühle,Nachbau im Freilichtmuseum für Volkskunst in Wollstyn - Aufn. 09/2010 GT

Bockwindmühle,Nachbau im Freilichtmuseum für Volkskunst in Wollstyn – Aufn. 09/2010 GT

Schon in seinem 1912 veröffentlichten Artikel „Die letzten Wind- und Wassermühlen – Teil 3“ schrieb Karl Eduard Goldmann:

„Mit dem Verschwinden der Mühlen musste selbstverständlich auch das Innungswesen der Müller leiden. Die Müllerinnung Neutomischel, deren Willkür Felix Szoldrski, Erbherr auf Neutomischel, 1786 bestätigt, ist wohl die älteste unter den hiesigen Gewerken. Sie galt einstmals als die größte und vornehmste in der Stadt, ihr gehörten auch die Berufgenossen aus der Umgegend an. Auf den Festlichkeiten, „Müllerquartalen“ , ging es hoch her. Es kamen aber, wie schon erwähnt , andere  Zeiten. Das Interesse für die Innung schwand, und die Mitgliederzahl verringert sich von Jahr zu Jahr. Bedauerlich ist es, dass ein alter Willkommbecher aus der ältesten Zeit der Innung verloren gegangen ist (siehe Zeitschrift d. Hist. Ges. f. d. Prov. Posen, Jg IV, S. 215). Wo blieben die alte Innungsfahne, wo die mit dem Stadtwappen ausgelegte Innungslade ? Heute sind die wenigen Müller von Neutomischel und Umgegend der hiesigen Bäckerinnung angeschlossen.“

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Für das Jahr 1854 konnten aus alten Wahlunterlagen der Vorsitzenden der Müllerinnung noch folgende Mitglieder notiert werden:

Fechner, Heinrich – Neutomysl; Tiesler, Heinrich – Neutomysl ; Arlt, Carl – Neutomysl; Maennel, Alexander – Neutomysl; Kaulfuss, Peter – Neutomysl; Sperling, Carl – Neutomysl; Pflaum, Gottlieb – Neutomysl; Schmidt, Gottlieb – Glinau; Knoll, Samuel – Zinskowo; Haesler, Wilhelm – Paprotsch; Rausch, Wilhelm – Paprotsch; Fenske, Traugott – Paprotsch; Schulz, Carl – Paprotsch; Hunold, Gottlob – Alt Boruy; Hunold, Gottlieb – Alt Boruy; Hunold, Traugott – Alt Boruy; Hunold, August – Alt Boruy; Stenschke, Julius – Alt Boruy; Giering, Gottlieb – Alt Boruy; Bautz, Gottlieb – Konkolewo; Neumann – Konkolewo; Heinrich, Martin – Konkolewo; Herrmann – Schwarzhauland; Koth, Gottlieb – Schichogora; Markwardt, Senior – Bukowicz; Markwardt, Junior – Bukowicz; Müller, Daniel – Sontop; Tepper, Joh. – Sontop; Gebauer – Sontop; Korn – Sontop; Steinke – Sontop; Schneider – Sontop; Hirth – Kozielaski; Trapp – Alt Tomysl; Reisch – Alt Tomysl; Hoffmann – Chmielinko; Herzog – Sempolno

25 Jahre später, im Jahr 1879, findet sich die Aussage von Goldmann bestätigt, erwähnt wurden in alten Papieren der Innung nur noch die Mitglieder:

Rausch, Müller Goldmann, Pflaum, Sperling, Rausch, Neumann, Arlt, Gebauer, Trapp, Hirt, Reisch, Morzynski, Schneider, Rüdiger, Pflaum, Steinke und Hunold.

Die Zahl der Mitglieder hatte sich also nahezu halbiert. Es fehlten unter anderem auch die Herren Maennel und Schmidt, Besitzer der beiden großen Dampfmühlen der Stadt.

Um 1887 muss die Innung noch weiter an Bedeutung verloren haben. Die eingangs erwähnten Signien der Innung verschwanden, zumindest eine auf einem Dachboden. Hatte man 1787 noch das Stammbuch der Meister  für das „löbliche Gewerk der Wind- und Wasser Müller in Neu Tomijsel“ eingerichtet, so verkaufte man nur 100 Jahre später die Münzen des Willkommbechers der Müllerinnung. Gedanken seitens des Magistrats oder auch der nachfolgenden vereinigten Innung der Handwerker der Stadt Neu Tomysl, nachkommenden Generationen Gegenstände und Dokumente der Geschichte der Stadt zu erhalten, scheint es in jenen Jahren noch nicht gegeben zu haben.

Beispiel eines Willkommbechers - Zeichnung PaNe

Beispiel eines Willkommbechers – Zeichnung PaNe

Herr Rodgero Prümers, seinerzeit Vorsitzender der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen, einer Institution, die sich u. a. aber mit dem Sammeln von alten Gegenständen zur Erhaltung und Bewahrung der Siedlungsgeschichte der Provinz Posen befasste, schrieb 1887 an den Herrn Bürgermeister Witte in Neutomysl betreffend der ihm von diesem angebotenen „Münzen der Müllerinnung“.

Er fragte in diesem Schreiben an, ob er nicht auch den Pokal erhalten könnte zu dem die ihm übersandten Münzen gehören würden. Prümers führte aus, dass er „für das Ganze“ also für den Becher und die Münzen einen Preis bieten möchte, da die Münzen allein nur den Silberwert besitzen würden.  Die Historische Gesellschaft würde sogar „10 % über diesen (Silberwert) bieten, damit dergleichen Zeugen der Vergangenheit des Landes nicht in den Schmelztiegel wandern“ würden. Man wäre aber eben an dem Gesamtensemble interessiert.

In einer Randnotiz auf diesem Brief ist durch Bürgermeister Witte vermerkt worden, dass der Müllermeister Christoph Rausch als letzter Obermeister der Müllerinnung sich im Besitz des so genannten Willkommbechers befinden müsste.  Christoph Rausch wurde eine Frist von 3 Tagen zur Abgabe des Bechers und zur Vermeidung einer Klage auf Herausgabe eingeräumt.

Letztlich war es aber wohl für den Willkommbecher schon zu spät. Per 24. September 1888, also fast ein Jahr nachdem die ersten Ver- bzw. Ankaufsverhandlungen zu den Münzen des Bechers aufgenommen worden waren, findet sich auf den Archivunterlagen nur noch der Vermerk seitens Witte: „Diese Angelegenheit ist inzwischen geregelt worden daher – ad acta.“

Prümers schreibt noch im Jahr 1888 einen Artikel über diesen Willkommbecher in der Zeitschrift der historischen Gesellschaft. In diesem heißt es: „Die Müllerinnung zu Neutomischel  besaß einen alten Willkommbecher, welcher wohl aus den ersten Zeiten der Stadt, also Ende des vorigen Jahrhunderts, stammte. Derselbe war von dem Grundherrn von Neutomischel, Namens Szoldrski, gestiftet worden und im Besitz der Innung bis in dieses Jahrzehnt hinein geblieben, hat dann aber lange auf einem Hausboden gelegen und ist nunmehr nicht mehr aufzufinden.

An diesem Pokale hingen mehrere Münzen, die ihres Silberwertes wegen von demselben abgenommen und auf diese Weise gerettet wurden. Zunächst ein halber Thaler von Stanislaus August v. J. 1788 (Zagorski Nr. 759) mit einer hübschen Verzierung zum Anhängen, in deren Mitte ein S angebracht ist, jedenfalls auch ein Geschenk des Grafen Szoldrski. Ferner sind noch mit einfachen Ösen versehen ein Thaler von Stanislaus August vom Jahr 1795 (Zagorski Nr. 761), ein Rubel von 1813, 8 gute Groschen von Friedrich dem Großen vom Jahr 1753, eine Münze Ludwig XIV. vom Jahre 1690. Außerdem hatten früher einzelne Münzen in dem Becher gelegen, und zwar ein Dreißig-Groschenstück Johann Casimirs aus dem Jahre 1665, 5 Groszy vom J. 1811, ein Sechsgröscher Friedrichs des Großen v. J. 1770, ein Dreigröscher Friedrich Wilhelms III. v. J. 1803 und zwei Gröschel Friedrich des Großen vom. J. 1775, endlich an Kupfer 3 Grozy v. J. 1811. Diese Münzen sind für die Sammlung der historischen Gesellschaft angekauft worden.“

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Quellen: 1) Der Artikel wurde zusammengestellt anhand von Akten, welche im Staatsarchiv in Poznan verwahrt werden – hier http://szukajwarchiwach.pl/53/4385.0209 Müllerinnung …. 2) „Ein Willkommbecher der Müllerinnung zu Neutomischel“ – Prümers, Rodgero – Zeitschrift der Historischen Gesellschaft zu Posen – Martin Opitz Bibliothek, Herne