Schulen, Gefängnisse, Kranke, Gebrechliche, Arme und Haltekinder aber auch Friedhöfe – 1904

Blick auf die ehemalige Dampfmühle Schmidt mit der Badeanstalt - AK Sammlung Wojtek Szkudlarski

Blick auf die ehemalige Dampfmühle Schmidt mit der Badeanstalt – AK Sammlung Wojtek Szkudlarski

Nach den Beiträgen Schädliches Klima, Lebensumstände und Wasserversorgung, Gewerbebetriebe und deren Einfluss auf die Gesundheit ist dieses nun der vierte und letzte Teil des 1903/1904 von dem Kreisarzt Dr. Buddee erstellten Berichtes.

Es ist eine „eigenwillige“ Reihenfolge, mit der die Berichterstattung der allgemeinen und sanitären Zustände der Stadt Neutomischel abgeschlossen wurde; es wurden nacheinander

  • die Schulen,
  • die Gefängnisse,
  • die Behandlung von Kranken, Gebrechlichen und Armen,
  • die Unterbringung von Haltekindern gefolgt von
  • der Beschreibung von Badeanstalten und letzlich
  • der von den Begräbnisplätzen

abgehandelt.

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Das rote  Backsteingebäude war die ehemalige jüdische Schule - Eigenaufn.

Das rote Backsteingebäude war die ehemalige jüdische Schule – Eigenaufn.

Dr. Buddee hielt auf die die Frage nach der Anzahl und Art der vorhandenen Schulen fest, dass es in der Stadt

  • 1 städtische Volkschule,
  • 1 gehobene Knabenschule,
  • 1 höhere Töchterschule und
  • 1 jüdische Religionsschule gab.

Unter dem direkt folgenden Punkt, der Frage nach den Gefängnissen, beschrieb er die vorhandenen Einrichtungen als

  • städtisches Polizei-Gefängnis mit drei genügend ausgestatteten heizbaren Zellen von hinreichender Größe und Helligkeit und
  • das Gerichtsgefängnis

Was die Fürsorge für die Kranken und Gebrechlichen und die Art und den Zustand der Armenkrankenpflege anging, so erhielten Ortsarme je nach ihrem Gesundheitszustand Wohnung und eventl. Geldunterstützung, sowie in Krankheitsfällen freie Behandlung und Arznei. Erforderlichen Falles fand eine Aufnahme ins städtische Krankenhaus staat. Staatliche Armenärzte gab es nicht.

Der Kreisarzt fügte in seinen Bericht auch das Vorhandsein des städtischen Krankenhauses mit seinen zwei mittleren und zwei kleineren Krankenzimmern ein, nicht unerwähnt ließ er, dass dieses eigentlich nur zur Aufnahme von 10 Kranken geeignet, einfach eingerichtet, aber von 2 Posener Diakonissen sauber und gut verwaltet gewesen sei. Auch merkte er an, dass das Krankenhaus häufig überfüllt gewesen war. Letztlich fügte er noch das Vorhandensein des einfachen Operations- und Verbandsraum, sowie das der kleinen Leichenkammer mit Desinfektionsofen ein.

Weitere Anstalten, die der sonstigen Heilung und Pflege von Siechen und Gebrechlichen dienten waren in der Stadt nicht vorhanden; welches auch bzgl. einer Anstalt zur Irrenpflege galt. Der Buddee erwähnte, dass zum Zeitpunkt seines Berichtes auch keine Geisteskranken in Familien ver- und gepflegt wurden.

Die ehemalige Louisenschule - AK Sammlung Wojtek Szkudlarski

Die ehemalige Louisenschule – AK Sammlung Wojtek Szkudlarski

Zum Haltekinderwesen, also gegen Entgelt bei „Fremden“ untergebrachte Kost- und Ziehkinder, vermutlich aber auch Waisenkindern, findet sich:

  • Die Arbeiterin Paulina Perlinski hat 3 Kinder in Pflege: 1. den 15 jährigen Georg Altenau, 2. den 7 jährigen Paul Haupt (Ergänzung der Autoren: vielleicht Paul Adolph Haupt geb. 04 Juli 1896, Sohn des Johann Ferdinand Haupt, Arbeiter zu Neutomischel 1858-1901 und der Wilhelmina Pohl verw Junge, verh Haupt ca. 1856-1900) und   3. den 2 jährigen Alwin Korbanek (der Ernährungszustand dieses letzteren läßt zu wünschen übrig)
  • Die unverehelichte alte Wilhelmina Rausch hat die 1jährige Margaretha Frieda Rausch in Pflege. Das Kind ist nicht gut gehalten, es sieht bei der Pflegerin sehr wenig ordentlich aus (Ergänzung der Autoren: vielleicht Margaretha Frieda Rausch geb. 20 März 1903, Tochter des Berthold Rausch, Arbeiter zu Alt Tomischl und der Emma Grunwald)
  • Die Frau des Fuhrmanns Reinhold Weber hat den 4 jährigen Teophil Jęchorek in Pflege. Das Kind ist gut genährt und gut gehalten

Um 1904 waren Badezimmer in den Wohnungen und Häusern noch unüblich. Die Bewohner nutzten daher Badeanstalt des Dampfmühlenbesitzers Schmidt, diese lag dann allerdings schon auf Glinauer Terrain. Das früher zu rituellen Zwecken bestimmte Bad der jüdischen Gemeinde wurde nicht mehr benutzt. Die Räume standen leer und waren z. Zt. nicht in Ordnung. Einige Badewannen waren noch vorhanden; eine der Wannen wurde an arme Gemeindemitglieder verliehen. Schwimmanstalten gab es nicht; auch verfügte die Stadt über keine Heilquellen

Gedenken an die Toten - AK Sammlung Wojtek Szkudlarski

Gedenken an die Toten – AK Sammlung Wojtek Szkudlarski

Der letzte Punkt des Berichtes des Kreisarztes befasste sich mit der Beschreibung der Begräbnisplätze:

  • Der Begräbnisplatz für die katholische Gemeinde lag auf Paprotsch’er Gebiet. Derselbe war als solcher von der Kgl. Regierung genehmigt, doch zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch nicht in Gebrauch genommen. Die vorgeschriebene Auffüllung des Bodens war mit Beginn des Jahres 1904 noch nicht ausgeführt
  • Der jüdische Kirchhof lag auf Glinauer Gebiet. Derselbe war noch neu, ausreichend groß und gut gehalten
  • Der alte evangelische Kirchhof war etwa 4.500 qm groß, die dazu gehörige Seelenzahl betrug annähernd 1.500.
  • Zur Vergrößerung des alten, sehr sauber und ordentlich gehaltenen Kirchhofes war ein fast ebenso großes unmittelbar angrenzendes Ackerstück erworben worden, das jedoch nicht unerheblich aufgefüllt werden musste, da es z. Zt. so tief lag, daß das Grundwasser bei hohem Stande kaum 1 Meter unter der Erdoberfläche stand. Leichenhallen waren nicht vorhanden gewesen. Der Gesundheit schädliche Einflüsse durch die Begräbnisplätze waren nicht beobachtet worden.

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Quelle: Staatsarchiv Poznan – Stadtakten/Akta Miasta Nowy Tomysl 4385/0195 Ortsbesichtigung